Millionencoup im Stadion
wartete einen Augenblick,
dann entschloss er sich, auf eigene Faust weiterzumachen. Er stellte sein Rad
in einer dunklen Seitengasse ab und pirschte sich nun vorsichtig weiter vor.
Selbst in dieser aufregenden Situation, hatte Tim die Kontrolle über jeden
einzelnen Schritt. Achtete darauf, die Füße immer komplett vom Boden zu heben,
um mit dem ganzen Fuß aufzutreten. Immer gefasst darauf, einen angefangenen
Schritt sofort abzubrechen, schlich er Meter um Meter vorwärts. Zum Glück hatte
er heute die Schuhe mit den weichen Gummisohlen an, die jeden seiner Schritte
auf dem Asphalt dämpfte.
Dann stand er vor dem
anthrazitfarbenen Audi, schaute nach oben und las halblaut das Schild, welches
oberhalb der Ladentür hing. »Änderungsschneiderei Teiler« stand da in großen
Buchstaben. Tim konnte es kaum glauben. Er hatte eine brandheiße Spur!
11. In den
Katakomben der Schneiderei
Steven Kraut war nervös. Sein
Wagen rollte in eine schmale Seitenstraße, in die Hohle Gasse, ein.
»Nummer 13, 15,... Hmmm... es
muss doch hier irgendwo sein!« Langsam fuhr Steven an kleinen Geschäften
vorbei, die längst nichts mehr verkauften.
Das Haus, vor dem Steven hielt,
hatte schon bessere Zeiten erlebt. Der Putz bröckelte an vielen Stellen von den
Wänden und die Fensterläden könnten einen neuen Anstrich gut gebrauchen. Der
Laden im Erdgeschoss spiegelte den Charme der 50er-Jahre wider. Messingfarbene
Leisten säumten Schaufenster und Eingangsbereich.
Im Laden brannte Licht. Gleich
würde er den »Boss« und seine Handlanger treffen. Steven spannte für einen
kurzen Augenblick seine Muskulatur an.
Nur eine Stufe führte zum
Eingang hinauf. Steven stieß gegen die Tür, die mit einem scheppernden
Klingelton aufschwang.
Im Verkaufsraum erwartete ihn
bereits sein Kumpel und Geschäftspartner Robert.
Robert war ein auffälliger Typ.
Durch seine immer braun gebrannte Glatze, er nannte sie selbst Fleischmütze,
stach er jedem sofort ins Auge. Zusätzlich unterstrich er seinen Typ mit einer
markanten schwarzen Brille. Lässig stützte sich Robert auf die Ladentheke auf.
Neben ihm standen drei weitere Männer. Steven hatte nur einen davon bei einer
nächtlichen Begegnung schon einmal gesehen...
»Welch Glanz in dieser Hütte«,
knirschte ein Mann im Pelzmantel, der allein durch seine extravagante Kleidung
eine gewisse Präsenz ausstrahlte. »Steven Kraut, habe ich recht? Ein bisschen
spät, oder?« Grinsend enthüllte er sein breites Gebiss, dessen Backenzähne mit
Gold überkront waren.
»Morosow, nehme ich an?«,
erwiderte Steven, der den »Boss« an seinem russischen Akzent erkannt hatte.
Bislang hatte er mit dem Drahtzieher ihres kleinen »Familienbetriebs« nur
telefoniert. Heute standen sie sich zum ersten Mal Auge in Auge gegenüber. »Ich
konnte nicht eher weg! Meine Freundin wollte unbedingt mitfahren. Ich musste
sie erst abwimmeln.«
»Noch einmal: Keine Fremden,
ist das klar?«, herrschte der Mann in edler Umhüllung Steven an. Sowohl Steven
als auch der Glatzkopf nickten heftig.
Steven hatte eine gute
Menschenkenntnis und verschätzte sich selten. Morosow tippte er auf etwa
fünfzig Jahre. Und er schien über Geld zu verfügen. Über sehr viel Geld. Er
kleidete sich nach der letzten Mode. Eine Mode, wie sie sich nur sehr wenige
Menschen leisten können. Für den auffälligen Pelzmantel hatte Morosow locker 20
000 Euro hingeblättert. Morosow war groß und schlank und von ähnlichem
Körperbau wie Steven. Nur eben knapp dreißig Jahre älter. Für sein Alter hatte
sich der Boss gut gehalten. Beim Sprechen blitzten ständig weiße Zahnreihen. Im
Gegensatz dazu drückten Morosows kalte Augen keinerlei Gefühle aus.
Morosow hatte alle Anwesenden
im Visier. Jedenfalls empfand Steven das so. Er begrüßte Steven per Handschlag.
Danach stellten er auch die beiden Ledertypen vor: »Das sind meine rechte und
linke Hand... Ihre Namen tun nichts zur Sache.«
Robert machte ein Gesicht, als
habe er Bauchschmerzen. Nervös fummelte er an seinem Brillengestell herum. Ihm
war die ganze Sache in seiner Schneiderei nicht geheuer. Er führte alle in
einen der hinteren Räume.
Morosow sah sich um. In den
Regalen lagen bunte Stoffballen oder auf Spulen aufgewickeltes Nähgarn. Eine
schmale Wendeltreppe führte nach unten. Bereits in der dritten Generation
fertigte die Familie Teiler handgefertigte Maßkleidung von bester Qualität.
Auch Änderungen und Reparaturen von hochwertiger Kleidung gehörten
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