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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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neuesten Gerüchten in Zweifel zog.
    Meistens sagte die Witwe Beckett sehr wenig und ließ Mama Cooper ihre unangefochtene Stellung als Autorität in Sachen lokaler Begebenheiten. Doch die Meinung der Witwe war nie weit von der ihrer Freundin entfernt, und man konnte sich darauf verlassen, dass sie ihr recht gab und sie bestärkte. Und natürlich stand sie nach der Weihnachtsaufführung neben Mama Cooper und nickte zu deren Worten.
    »Nettie Wards Tochter? Wirklich?«, fragte Mrs. Royce. »Huch, die sieht aber ganz und gar nicht aus wie ihre Mutter, wie?«
    Die Witwe Beckett antwortete mit einem stummen, nur von Ts-Ts-Ts-Lauten begleiteten Kopfschütteln. Ich trat näher heran, während Mama Cooper sich vorbeugte und mit einer Lautstärke, die als Flüstern gedacht war, sagte: »Ein richtiges Heimchen und Mauerblümchen in spe.« Dann richtete sie sich auf und fügte mit einem merkwürdig stolzen Unterton hinzu: »Aber ihre Lehrerin sagt, dass sie hochbegabt ist.«
    Dank Boyer und den Pennywörtern verfügte ich schon mit sieben über einen großen Wortschatz. Ich kannte die Bedeutung vieler Wörter, aber »Heimchen« gehörte nicht dazu. Allerdings war mir klar, dass es nichts Gutes sein konnte, wenn es mit »Mauerblümchen« kombiniert wurde. Ich bahnte mir den Weg zu den Ausgangstüren, aber Boyer war nicht mehr da. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und suchte den Saal ab. Plötzlich stand Mom neben mir. »Was gibt’s, Nat?«, fragte sie.
    »Ich suche nur nach Boyer«, gab ich ihr zur Antwort. Normalerweise hätte ich Boyer über ein neues Wort befragt, in der Hoffnung, dass es eines für zehn Penny sein könnte. Aber irgendetwas sagte mir, dass dieses schlapp klingende Wort wenig wert war.
    Deshalb wandte ich mich an Mom: »Was bedeutet Heimchen?«
    »Wo hast du denn das aufgeschnappt?«, fragte sie und runzelte die Stirn.
    Da ich befürchtete, über ein verbotenes Wort gestolpert zu sein, wiederholte ich, was Mama Cooper gesagt hatte. Meine Mutter kniff die Lider zusammen und presste ihren Mund fest zu. Dann lächelte sie und strich mir über das Gesicht. »Nun, es könnte vieles heißen, mein Liebes. Ich glaube, es bedeutet, dass du gut im Haushalt bist. Sie weiß ja, was für eine große Hilfe du mir bist.«
    Ich überlegte, was das mit einem Mauerblümchen zu tun haben könnte, sagte mir dann aber, dass es sich um eines dieser dummen Märchen vom Weihnachtsmann handeln musste. Es ergab ja beinahe einen Sinn. Später schlug ich alles in Boyers Wörterbuch nach.
    Bevor wir gingen, spazierte Mom zu Mama Cooper und der Witwe Beckett hinüber. Das Lächeln verschwand nie aus Moms Gesicht, wenn sie sprach, aber jetzt erstarb es. Ich konnte Moms Worte nicht verstehen, deshalb ging ich auf sie zu und stand rechtzeitig neben ihr, um zu hören, wie die Witwe Beckett sagte: »Aber Nettie, wir haben das ganz lieb gemeint.«
    »Es ist ganz und gar nicht lieb, solche Andeutungen zu machen«, begann meine Mutter, und sie sprach jedes Wort mit einer Stimme aus, die so wenig zu ihr passte, dass ich nach ihrer Hand griff. Sie hielt inne, blickte zu mir herunter und drückte mir die Hand. Dann nickte sie ihren Freundinnen zu, drehte sich um und marschierte erhobenen Hauptes davon, mit mir im Schlepptau.
    In den nächsten Wochen erledigte meine Mutter das Montagsbügeln allein. »Wo ist denn das Klatschteam?«, fragte mein Vater beim Mittagsessen an dem ersten Montag, an dem Mama Cooper und die Witwe Beckett nicht da waren.
    »Ich habe ihnen gesagt, dass sie nicht kommen sollen«, antwortete Mom. »Sie brauchen mal eine Pause.«
    Ein paar Wochen später, am Heiligen Abend, tauchten sie, wie es alle Freunde und Nachbarn meiner Eltern jedes Jahr taten, vor unserer Tür auf. Sie standen auf der Veranda, stampften sich den Schnee von den Stiefeln und wirkten etwas verlegen. Als Mutter sie hereinführte, sie umarmte und ihnen frohe Weihnachten wünschte, da hätte ich schwören können, dass die alte Mama Cooper ihre Tränen wegblinzelte. Die Stimme der Witwe Beckett klang heiser, als sie das Wort ergriff: »Es tut uns ja so leid, Nettie.«
    Mom bedeutete ihnen, dass sie still sein sollten, und antwortete: »Das ist vergessen.« Und das meinte sie ernst. »Vergeben und vergessen«, das war Moms Credo.
    »Es macht nichts, wenn du dir eine Beule holst«, sagte sie oft zu mir. »Hauptsache, sie geht wieder weg.«

9
     
    D ANACH WURDE AM M ONTAG weiter gebügelt und weiter geklatscht, und der Vorfall wurde nie wieder erwähnt. Doch

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