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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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verabreden, zum Konzert oder so. Aber ich hatte keine Zeit.« Sie räusperte sich. »Es ist doch kein Gespräch, wenn einer immer jammert, oder? Sie hat gesagt, daß ihr die Decke auf den Kopf – wissen Sie? Sie hat sonst niemanden gekannt, mit dem sie ausgehen konnte oder so was, dann hat sie mich gleich – nur, weil ich ihr mal zugehört habe – hat sie immer nur von ihrem ganzen Mist geredet.«
    »Mist«, wiederholte Ina Henkel. »So.«
    Die Benz starrte ein Loch in den Teppich, als sie sagte: »Solche Sachen, daß sie abends hin und herlaufen würde. In ihrer Wohnung. Mit der Katze spielen. Aus dem Fenster gucken. Einfach herumsitzen. Und die Katze im Arm.« Sie räusperte sich. »Oder liegen. Auf dem Bett herumliegen, angezogen. Das hat sie abends gemacht.« Sie hob den Kopf. Blaßblau waren ihre Augen, irgendwie traurig. Irgendwie auch böse, zornig, was war das in ihren Augen – was hatte sie gesagt?
    Ina Henkel drehte sich zu Stocker, doch der rührte sich nicht. Braun war das Sofa, brauner Cord. Bischofs Sofa hatte sie auch so in Erinnerung, braun, rotbraun, die rotbraune Pfütze, das halb abgerissene Augenlid. Julia Bischof mit Jerry im Arm, am Fenster stehend, in die Nacht guckend, die Frau am Fenster in der Lenaustraße hatte sie ewig nicht gesehen – sie schüttelte den Kopf, fing an, ihre Schläfe zu massieren und die Benz sah zu.
    Nicht denken. Das war der Ausbildungsvermerk, den sie sich selbst geschrieben hatte, interner Dienstgebrauch, streng vertraulich, nur in Fakten denken. Die Sachlage besprechen, Zusammenhänge erörtern, sammeln, ordnen, werten. Noch mal üben gehen und noch mal von vorn.
    »Frau Benz –« fing sie an. Wie weiter? Die Benz hatte sich wieder geräuspert, eine Manie wahrscheinlich. Sie hatte sich in eine merkwürdige Hose gezwängt, zu eng für diese Schuhe, die Klötze an ihren Füßen, weil der Saum aufstieß und die Knie beulten. Was machte sie mit diesen Modeblättern hier, las sie die? Es war warm hier drin. Es roch, als sei nicht richtig gelüftet.
    Stockers Stimme, unverändert freundlich. »Haben Sie denn, wenn Sie mal unterwegs waren, in einer bestimmten Gaststätte verkehrt?« Er hockte auf diesem Sofa wie auf einer verdreckten Bank im Park, und Ina Henkel unterdrückte den Drang, bei diesem Anblick und bei seiner Frage nach einer Gaststätte in heilloses Gekicher auszubrechen.
    »Bei ihr in der Nähe«, sagte die Benz. »Da ist so eine ganz normale Kneipe. Sie haben Kleinigkeiten zu essen. Mit Julia konnte man nicht in Bars gehen.«
    »Wie?« fragte Stocker.
    »Nicht in Bars. Sie paßte nicht in eine Bar. So wie sie war.«
    »Wie war sie denn?«
    »Es ist schwer zu erklären, sie war – ein Mauerblümchen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Kennen Sie den Ausdruck nicht?«
    »Frau Benz«, fing Stocker wieder an. »Ich denke mir jetzt mal folgendes: Sie drücken da ein bißchen auf Julias Einsamkeit, verstehen Sie, was ich meine? Ich vermute aber, Sie wissen, daß es eine Beziehung gab zwischen Mosbach und Julia Bischof, aber nun haben Sie Angst, wir könnten das so interpretieren, daß es ihm schadet, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte sie.
    Stocker seufzte. Er beugte sich vor und tippte mit gespreizten Fingern auf die Tischplatte, weitermachen.
    »Hat er Ihnen gedroht?« fragte Ina Henkel. Sie konnte nicht richtig atmen hier drin.
    Die Benz schüttelte den Kopf.
    »Aber Sie haben Julia versprochen, alles für sich zu behalten, ja? Und jetzt denken Sie, das gilt über ihren Tod hinaus.« Hellgrüner Teppichboden. Fried hatte den auch gehabt. Nicht da, wo er lag, da war er nicht mehr grün, sah er anders aus, ganz anders. Keine richtige Farbe mehr. Das Zeug aus dem Körper. Das Zeug, zu dem der Körper wurde, der ganze Mensch. Sie lehnte sich zurück, fing an, durch den Mund zu atmen.
    Erneut schüttelte die Benz den Kopf. »Gabriel hatte doch gar kein Interesse an ihr. Und Julia hat dauernd davon geredet, daß sie jemanden sucht. Das, ich finde – das paßt doch nicht. Gabriel hat sie gar nicht richtig wahrgenommen. Das hat niemand gemacht.«
    »Und Martin Fried?« fragte Ina Henkel. »Hat Julia ihn gekannt?«
    »Ich glaube nicht. Sie hat nichts davon gesagt.«
    »Haben Sie Martin mal zu Hause besucht?«
    »Ich?« Die Benz sah sich noch immer um, als sei etwas nicht in Ordnung hier. Als müsse sie aufspringen und aufräumen, wo es nichts aufzuräumen gab. »Nein«, sagte sie.
    »Waren Sie mal unterwegs mit ihm? Einen trinken oder so?«
    »Ja, einmal. Bei ihm, bei den

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