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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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denen von selber warm.« Er streckte die Hand aus. »Geben Sie mir die Autoschlüssel, ich fahre, ich muß mich ablenken.«
    »Sitzengeblieben«, sagte Ina Henkel. »Erst sind sie sitzengeblieben, dann sind sie liegengeblieben. Wissen Sie was, die hat ’ne lyrische Ader.«
    »Oder kabarettistisch. Oder einfach Dada.« Ruckartig fuhr er an, die Reifen quietschten.
    »Die macht mich wahnsinnig«, sagte sie.
    »Tja. Aber Sie hätten nicht so ruppig zu ihr sein müssen.« Angestrengt sah er auf die Straße. »Und jetzt noch zum Hilmar. Wenn der nicht da ist, lasse ich ihn doch vorladen.«
    »Wissen Sie was«, sagte sie, »diese Wohnung sah aus wie die vom Fried, genauso – hm, aufgeräumt. Steril meine ich. Unheimlich.«
    »Tja.«
    »Ich krieg’s nicht mehr auf die Reihe.«
    »Mal sehen«, sagte er.
    »Ich hab eigentlich noch was vor.« Sie seufzte, sah auf ihre Uhr, ließ das Armband vor- und zurückschnappen.
    »Ich auch.« Stocker nickte vor sich hin.
    Bei Hilmar brannte Licht. »Vielleicht hat er einen da«, sagte sie. »Mir ist das immer so unangenehm, wenn man da stört.«
    »Mir nicht«, sagte Stocker.
    Doch Frank Hilmar war allein. Ina Henkel sah ihn an und vergaß zu grüßen. Kurze Haare, Schnauzer, Ohrring, das stimmte. Der Rest stimmte nicht. Ein bißchen Lederkerl, ein bißchen Tunte. Breitbeinig und mit verschränkten Armen stand er vor seiner Wohnungstür, trug Lederhose und Pelzjacke, ein Fummelchen, das aussah wie Nerz. Seine Füße steckten in schweren Stiefeln.
    »Wollten Sie ausgehen?« fragte Stocker.
    »Nein.« Er rührte sich nicht.
    »Tja«, sagte Stocker. »Wir müßten Sie noch einmal sprechen, tut uns leid.«
    »Es tut Ihnen nicht leid.« Hilmar streckte einen Arm aus und zielte mit dem Zeigefinger wie ein Kind, das Cowboy spielte, dann blähte er die Backen und pustete den Rauch weg. Tusche auf seinen Wimpern, Rouge auf seinen Wangen, fleckig und verlaufen; er schloß die Augen und flüsterte: »Wollen Sie mich küssen?«
    »Eigentlich nicht«, sagte Stocker. »Nur etwas abklären.«
    Hilmar lachte. »Ich hatte Ihre Kollegin gefragt.«
    »Sind Sie nicht albern«, sagte Ina Henkel.
    »Seien Sie nicht«, sagte Hilmar.
    »Was?«
    »Es heißt seien Sie nicht albern. Und es heißt bitte, nicht was. «
    »Interessant.« Sie hielt sich am Treppengeländer fest. Nicht schießen. Nicht brüllen, Ausbildungsabschnitt Vernehmung, nicht geifern, nicht heulen, nicht zetern. Sie folgte Stocker in die Wohnung.
    Es war heiß hier drin, doch Hilmar zog seine häßliche Pelzjacke über der Brust zusammen. Wenn es denn überhaupt eine Pelzjacke war, ein Flohmarktfummel vielleicht, vom Boden aufgehoben, gefeilscht und angezogen.
    »Das habe ich nur jemandem zum Gefallen getan.« Er beobachtete sie, schlang die Arme um den Körper. »Die Jacke. Und die Bemalung. Jemand zum Gefallen.«
    »Aha«, sagte sie.
    »Ich lauf sonst nie so rum. Nur an jedem Zwoundzwanzigsten.«
    »So.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. Zweiundzwanzigster. Jeder hatte seinen Schatten.
    »Also?« fragte Hilmar. Sein Wohnzimmer war noch immer ein Sammelplatz für Altpapier. Er hockte sich zwischen zwei Zeitschriftenstapel auf den Boden und begann mit einem Papiertaschentuch Kerben in sein Make-up zu ziehen.
    »Es ist nur eine Frage –« Stocker räusperte sich und holte das Foto Martin Frieds aus der Brusttasche. »Wer ist das?«
    »Wissen Sie es nicht?« Hilmar sah hoch. Im Licht der Deckenlampe sahen die Reste des Rouge auf seinen Wangen wie Wunden aus. Er nahm Stocker das Foto aus der Hand, sah es ein paar Sekunden lang an, dann fächerte er sich Luft damit zu. »Kommen Sie jetzt mit all Ihren Hanseln zu mir?«
    Ina Henkel sagte: »Sie kennen ihn, ja?«
    » Den? «Hilmar legte das Foto auf den Boden. Mühsam stand er auf und lehnte sich gegen die Wand, gegen das kitschige Poster, den Sonnenuntergang über dem Meer. »Dem möchte ich im Mondschein nicht begegnen.«
    »Dieser Mann –«, begann Stocker.
    »Ist verblichen.« Hilmar brachte ein Lächeln zustande. »Richtig?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Keine Ahnung, vielleicht weil’s ein Videoprint ist. Den haben Sie vom Fernseher abgelichtet, sieht doch ein Blinder mit Krückstock. War der beim Mosbach? War der auch beim Mosbach, da lach ich mich ja tot.«
    »Warum rufen Sie eigentlich die Moderatoren an?« fragte Stocker. »Es heißt, Sie beschimpfen diese Leute.«
    »Wie fleißig Sie sind.« Hilmar zupfte an seinem Pelzfummel herum. »Um so etwas kümmern Sie sich. Nein, das ist nur

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