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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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daß sie es über den Stuhl warf, so, wie es hier lag, das schwarze Kleid, über den Stuhl geworfen. Alles warf sie manchmal so herum, auch die Leinenjacke, die auf dem Sessel lag. Auf dem Sofa ihre gemusterte Hose, auf einem Kleiderständer ihr sandfarbenes Kostüm, Sie drehte sich ein bißchen, machte kleine Schritte vor und zurück; überall ihre Sachen und der Duft überall. Dann blieb sie wieder stehen. Keine Gedanken, nur ein Taubheitsgefühl. Leere im Innern. Sie blieb einfach stehen, bis sie etwas hörte.
    Stocker kam mit Hieber aus dem Nebenzimmer. Er sah sie an, Hieber guckte auf den Boden.
    »Ich hab sie nie« – sie räusperte sich – »nie in dem Zeug gesehen. Ich meine, ich hab sie ja eh kaum – aber –«
    »Zeug«, wiederholte Stocker.
    »Das hier.« Wieder fing sie an, sich zu drehen. »Das sieht alles aus wie – wie soll ich sagen, wie bei mir. Das sind Klamotten, die ich auch habe. Das alles hier. Das ist komisch – ich meine nur«, fügte sie hinzu, weil Stocker nicht aufhörte, sie anzustarren.
    »Kommen Sie mal mit«, sagte er.
    Im Schlafzimmer ein Bett, in dem man unmöglich zu zweit liegen konnte, ohne hysterisch zu werden. Weiße Bettwäsche, ein schmales, trauriges Krankenhausbett. Daneben etwas, das Czerwinski immer Nachtschränkchen nannte und das er bei ihr vermißte.
    » Warum hast du kein Nachtschränkchen? «
    » Wozu brauch ich das? «
    » Na, um was abzulegen. «
    » Was soll ich denn ablegen? «
    » Na ja, die Tempos. Und was zu trinken und den Wecker und deine Zeitschriften. Kannst doch nicht alles auf dem Boden liegen lassen. «
    Das Nachtschränkchen der Frau war vollgestopft mit Büchern, Tropfen und Naschzeug. Vor dem Fenster ein Gestell, wie Fotografen es brauchten, ein Stativ. Es stand aber keine Kamera darauf, sondern etwas anderes, das sie für so ein Sternenguckerding hielt.
    »Was soll das?« fragte sie. »Was macht sie damit?«
    »Was sie damit macht?« Stocker fuchtelte mit einem Finger. »Was das soll?« Er drehte sich so ruckartig um, daß das Ding anfing zu wackeln. »DAS IST EIN FERNGLAS, DAS AUF DIE WOHNUNG EINER KRIMINALBEAMTIN GERICHTET IST.« Sein Gericht war gerötet und sein Finger tanzte vor ihren Augen hin und her.
    » Gucken Sie rein « , rief er in einem Ton, als hätte sie es selbst da aufgestellt.
    Sie sah ihr Schlafzimmer, ihr Bett. Sie hatte es nicht gemacht am Morgen, die Decke lag halb auf dem Boden. Sie sah ihren Schreibtisch und die vergessene Teetasse darauf. Sie sah Jerry.
    »Da ist der Jerry«, murmelte sie. »Liegt auf dem Tisch. Soll er doch nicht.« Sie trat zurück, schüttelte den Kopf. »Warum – warum denn?«
    »Tja.« Stocker schob die Hände in die Hosentasche und umkreiste dieses häßliche Ding wie ein angriffslustiges Tier. »Haben Sie je mit ihr geredet?«
    Sie sah an ihm vorbei. An der Tür stand Hieber. Er wirkte so kummervoll wie ihr Vater früher, wenn sie ihm sagte, es sei Samstag abend und sie denke gar nicht daran, nach Hause zu kommen, auch nicht um Mitternacht. Gar nicht. Erst am Sonntag zum Essen.
    »Ja oder nein?« Stocker berührte sie an der Schulter.
    »Ich hab ihr mal Geld gewechselt. Im Supermarkt, da hab ich vielleicht – ich wußte bis vorhin nicht, wie die heißt.« Ihre Stimme zitterte. »Sie meinen, die hat mir in die Wohnung geguckt? «
    »Für was halten Sie das?« fragte er. »Warum haben Sie keine Stores?«
    Sie hob die Arme und ließ sie wieder sinken. »Ich hab sie ja oft am Fenster gesehen. Aber ohne – das da. Das Ding hab ich nie gesehen, ich meine, die stand doch bloß da. Hat auf die Straße geguckt, wissen Sie, wie jeder mal am Fenster steht. Zuerst hat sie mich genervt, aber dann war’s mir egal. Tommy sagt, sie kann auch nicht reingucken, sie braucht ein Fern … –« Sie senkte den Kopf.
    »Tja«, sagte Stocker. »Da hat Tommy recht.« Er ging hin und her und trat mit dem Absatz gegen alles, was da stand, den Schrank und das Schränkchen und das traurige Bett. »Was war mit den Klamotten?«
    Sie rannte zum Schrank, riß ihn auf. Gemusterte Kleider, Hosen mit Bügelfalte, karierte Röcke. »Nein«, sagte sie. »Das nicht. So was trag ich nicht. Nur das, was da drüben hängt. Das sind meine Sachen. Nein, sind es ja nicht, aber die hab ich halt auch.«
    »Ja«, sagte Stocker. »Exakt.«
    »Aber es sind ja schließlich keine Designerstücke oder so was.« Sie schlug die Fingerspitzen aneinander. »Das gibt’s ja, daß zwei Leute dasselbe tragen –«
    »Das Gleiche«, unterbrach Stocker,

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