Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
Vom Netzwerk:
klimperte. Mit gesenkten Köpfen hockten zwei Männer einander gegenüber, einer pustete in sein Bier. Ein Mann und eine Frau saßen vor leeren Kaffeetassen. Der Mann starrte in den Aschenbecher, die Frau zerbiß ihre Fingernägel. Alle guckten zum Automaten, als der Spieler eine Faust dagegen schlug. Dann guckten alle zur Tür, als ein Schutzpolizist hereinkam. Es war Hieber. Er blieb an der Tür stehen, und alle guckten wieder weg.
    »Wieso waren die komisch?« Ina Henkel stützte die Arme auf den Tresen und malte mit zwei Fingern ein Kreuz in eine Pfütze Bier.
    »Ei ja«, sagte der Junge. »Der Dicki, also, er hier, der hat sich so aufgeführt. Hat der Tussi Milch in’ Kaffee gegossen und ihr ’n Stuhl richtig hingestellt, wie se vom Klo kam, so Sachen halt. Fand ich zum Feuer schreien. Hat so getan, als wär er der Superolli und mit seiner Tussi im Edeltempel. Hat sich so abgestrampelt.«
    »Wie sah die Frau aus?«
    »Ei, ich sag’s doch, ich weiß es net mehr.« Er kniff die Augen zusammen. »Wie meine Tante. Also, ich mein’, so abgetan, die Klamotten, ja? Meine Tante läuft so rum, aber die is’ Stück älter. Woolworth-Jeans oder so. Strickjack’. So Zeug halt.«
    »Das Gesicht, versuch’s mal.«
    »Kann mich an das Gesicht net erinnern. Die Haare so blöd, so – pfh. Nix war mit der.«
    »Dick, dünn?«
    »Nix. Normal.«
    »Alter?«
    »So wie Sie vielleicht. Ich kann aber net gut schätzen, Frau Polizeidirektor. Könnt’ auch bißle jünger gewesen sein.«
    »Hattest du das Gefühl, die wären zusammen?«
    Bedächtig schüttelte er den Kopf. »Ich hatt’ net des Gefühl. Er hat sich so abgestrampelt, als hätt’ er zum ersten Mal im Lebe ’ne Tussi an der Hand, aber irgendwie hat die’s net gerafft. Na ja, er war ja selber net vom Feinsten. Bei manche Leut’ denkt mer halt: Ach Gott, wenn die sich bloß net vermehr’n, wissen Se?«
    »Sind die zusammen weggegangen?«
    »Weiß ich net. Kam dann wohl mein Kumpel oder so. Hab ich net drauf geachtet.«
    Sie legte ein weiteres Foto auf den Tresen, und der Junge schnippte mit den Fingern. »Könnt’ sein.« Er sah eine ganze Weile hin. »Ich weiß es net. Oder? Könnt’ se sein, ja.«
    »Ja?«
    »So ungefähr.« Er seufzte. »Das is’ ewig her.«
    »Wie lange?«
    »Ach Gott, Frau Polizeipräsident, ich mein’, Sie stellen da Fragen –«
    »Gut, du hast da gesessen und auf deinen Kumpel gewartet.«
    Er nickte.
    »Wolltet ihr irgendwohin? Party, Konzert, Kino? War was Besonderes?«
    »Ich bin ständig auf meinen Kumpel am warten. Der kommt nie bei.« Der Junge hob die Schultern. »Es is’ auch nie was Besonderes.«
    »Sagst du mir deinen Namen?«
    »Osan, warum?« Er ging einen Schritt zurück. »Ich sag doch, so genau weiß ich des net. So Leut vergißt mer. Osan Yilmaz, sieben-fünf, sieben-zwo, sechs-acht.«
    »Schön.« Ina Henkel nahm die Fotos vom Tresen.
    »Wie hat der dann ausgesehen?« fragte der Junge. »Den Dicki mein’ ich. Wie ihr den gefunden habt.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »War der zerfallen, oder konnte Sie noch was erkennen?«
    » Vergiß es « , sagte sie so laut, daß Hieber, der noch immer an der Tür stand, zwei Schritte näher kam. Er nahm seine Mütze ab und setzte sie gleich wieder auf. Nebenan küßte der Spieler den Automaten. Ein paar Markstücke fielen heraus, eine Weile war es das einzige Geräusch.
    »Sorry«, sagte der Junge. »Schweigepflicht, wie?«
    Der Spieler legte beide Hände auf den Automaten. Ina Henkel ging zu ihm herüber, hielt ihm die Fotos hin. Sie berührte ihn am Arm, als er nicht reagierte.
    »Faß mich nicht an, du –« Er wirbelte herum, und es blitzte etwas in seiner Hand. Sie schlug ihm von unten gegen den Handrücken; ein Schlüssel fiel auf den Boden, und der Junge am Tresen rief: »Ja, schick!«
    Hieber kam hinzu und packte den Spieler an beiden Handgelenken. Der blies die Backen auf, als wolle er auf die beiden Fotos spucken, auf Martin Fried vor der Fernsehkamera und auf Julia Bischof an ihrem Schreibtisch.
    »Und?« fragte Ina Henkel.
    »Ärsche«, rief der Spieler. »Woher soll ich die kennen? Bin erst vor ’nem Monat eingezogen, ich wollt’ gar nicht her, Räumungsbescheid, die haben mich einfach hier reingestopft wie so ’n – so ’n–«
    »Schau einfach hin.« Sie wedelte mit dem Foto vor seinen Augen.
    Der Spieler warf den Kopf zurück wie ein nervöses Pferd. »Interessiert mich einen Dreck, ich kenne kein Schwein und will auch kein Schwein kennen, hören Sie mir zu?

Weitere Kostenlose Bücher