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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Mosbach stöhnte leise. »Die projizieren etwas auf mich, ich weiß nicht, was, ich will es auch nicht wissen. Das ist keine Liebe, das ist – ich weiß es nicht.«
    »Sie haben vor der Sendung mit ihnen geredet«, sagte Stocker. »Hinterher sicher auch. Erinnern Sie sich an irgend etwas aus diesen Gesprächen?«
    »Sie haben dasselbe erzählt wie vor der Kamera. Das haben sie mit sich herumgetragen, deshalb sind sie gekommen.« Mosbach hatte sich kaum bewegt. Wie vor der Kamera stand er da, machte nur ein paar kleine, tänzelnde Schritte vor und zurück. »Finden Sie wirklich niemanden, der Ihnen etwas mehr über Martin und Julia erzählen könnte? Warum ich? Ich weiß nicht, wie es laufen wird, falls die Presse darüber schreibt, daß zwei Gäste von Menschen bei Mosbach innerhalb kurzer Zeit – ja, na ja.« Er sah auf den Boden. »Martin Fried ist ein ängstlicher Mann gewesen. Eingesperrt in sich selbst. Mehr kann ich über ihn nicht sagen. Beide haben etwas gesucht, Julia und Martin, irgendein Leben, das paßt, die haben aus ihrer Haut gewollt. Alle wollen das. Die Talkshow ist das Erlebnis derer, die nie etwas erleben.«
    »Das erzählen Sie öfters mal, ja?« Ina Henkel schob ihren Stuhl etwas zurück. »Klingt schwer druckreif.«
    »Guten Tag, Frau Kommissarin.« Mosbach lächelte. »Ja, man beschäftigt sich mit seinem Job, tun Sie das nicht? Wissen Sie, warum die Leute in die Show kommen? Warum Martin und Julia gekommen sind?«
    »Sie werden es berichten«, sagte Stocker.
    »Hört mich an, es gibt mich, ich bin auf der Welt.« Mosbach öffnete das Fenster einen Spalt, sprach zur Straße hinaus. »Wenn Modeschöpfer oder Schauspielerinnen dem Land darlegen, wie sie aus heiterem Himmel bisexuell oder schrecklich depressiv geworden sind, wieso sollen dann Hans und Erika Mustermann zurückstehen? Reden die halt über ihre Angstanfälle.« Einen Moment lang stand er ganz ruhig da, als lausche er den eigenen Worten hinterher, dann fragte er: »Kennen Sie Schopenhauer, Frau Henkel?«
    Sie stieß die Luft durch die Nase, sah zur Decke.
    » Wer auf sein Leid tritt, tritt höher. «Er nickte. »Schopenhauer.«
    Sie sah ihn an. »Eigenartig, daß die einzige Verbindung beider Getöteter die zu Ihnen ist.«
    »Finden Sie?« Mosbach hob die Schultern. »Isolation, was ist denn damit? Wunschträume, Träume vom Glück? Ein elender, beschissener Tod, den anscheinend kein Mensch betrauert? Von dem noch nicht mal jemand wußte? Das sind die Verbindungen, wie Sie es nennen, da kommen Sie damit an, daß beide in meiner Show waren, das ist doch lachhaft.«
    »Vielleicht«, sagte Stocker. »Vielleicht auch nicht.«
    »Für viele bin ich eine Art seelischer Heilpraktiker. Vielleicht sogar wirklich ein Pfaffe.« Mosbach ging zu einem Rollschrank in der Zimmerecke und schlug einmal kurz dagegen, als würde man ihn sonst nicht sehen. »Wildfremdes Volk schreibt mir alles mögliche, erzählt von zu Hause, von den mißratenen Gören, den bösen Kollegen, von Gott und der Welt. Plötzlich fühlt sich jeder Depp gemobbt, auf einmal ist jede Liebesbeziehung nur ein Witz. Mit so was kommen sie an, detailliert, wissen Sie? Vielleicht gehöre ich zu ihrem Leben und weiß gar nichts davon.«
    »Und die schreiben dann in ihr Tagebuch, wie Sie mit Blumen kommen.« Ina Henkel sah ihm in die Augen; viele mochten das nicht, guckten dann weg, draußen die Benz zum Beispiel, die konnte das nicht ab, er schon. Sein Blick war ruhig. Fast zärtlich sah er sie an, ein wenig belustigt vielleicht, und sie senkte den Kopf. »Ja?«
    »Nein.« Er lachte. »Das sind Phantasien, Frau Henkel. Die Leute machen sich ihre Vorstellungen von mir, wenn sie mich im Fernsehen sehen. Das Fernsehen wiederum macht eine Art Maske aus mir. Dahinter ist unbekanntes Land, das sie nach Gutdünken bebauen können. Das kann ich nicht verhindern. Wissen Sie, was Canetti sagt? Oder beschränkte sich Ihre Ausbildung nur auf–«
    »Verarschen Sie mich nicht.« Ruckartig beugte sie sich vor, spürte Stockers Fuß an ihrem.
    » Kennen Sie Canetti? Mehr wollte ich doch gar nicht wissen.« Mosbach stand ganz ruhig da. »Canetti sagt, dem Ruhm sei es gleichgültig, in wessen Mund er gerät. Wesentlich ist nur, daß der Name ausgesprochen wird.«
    »Kennen Sie Mark Hilmar?« fragte sie.
    »Wieso?«
    »Sie kennen ihn?«
    »Ich kenne einen Frank –« Mosbach lachte, es klang verlegen. »Reizend, ja, einen Frank Hilmar kenne ich indirekt. Den meinen Sie wohl?«
    »Was ist mit

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