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Mina (German Edition)

Mina (German Edition)

Titel: Mina (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Almond
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ich.
    „Okay.“
    „Wer war das?“
    „Wer war was?“
    „Am Telefon.“
    „Ach, am Telefon? Colin.“
    „Colin?“
    „Colin Pope. Erinnerst du dich nicht an ihn? Du hast ihn letztens im Theater kennengelernt. In der Pause.“
    „Ach der.“
    Sie verschränkt die Arme vor der Brust, legt den Kopf schräg und schaut mich an.
    „Ja. Der.“
    Ich denke nach. Colin Pope, ein hagerer, groß gewachsener Mann mit einem Bierglas in der Hand.
    „Er war nett, nicht wahr? Weißt du noch?“
    Ich zucke mit den Schultern. Ich kann mich nicht erinnern, ob er nett war. Ich kann mich überhaupt kaum an ihn erinnern. Warum sollte ich? Außerdem: Was heißt schon „nett“? Er schüttelte meine Hand und meinte, er hätte schon viel von mir gehört. Ich glaube nicht, dass ich ihm antwortete. Ich las das Programmheft durch, während sie miteinander schwatzten, etwas tranken und Erdnüsse naschten. Das Stück hieß Die Gebrüder Grimm . Ich weiß noch, dass ich gerne darüber reden wollte, ob Wölfe wirklich so bestialisch sind, wie sie in den Märchen dargestellt werden. Aber ich hielt den Mund, und sie schwatzten unentwegt weiter.
    „Erinnerst du dich an ihn?“, fragt Mama noch einmal.
    „Ich bin mir nicht sicher“, sage ich.
    Sie grinst.
    „Ich bin dann mal draußen“, sage ich.
    „Na, dann ab mit dir.“
    Ich gehe auf die Tür zu. Zögere.
    „Was wollte er denn?“, frage ich.
    „Nur mal Hallo sagen.“
    „Dazu hat er aber lange gebraucht.“
    Ich gehe raus und mache die Tür zu.
    Ha!
    Colin Pope!
    Ich bin auf dem Baum. Das Laub wird immer dichter. Ich schaue nach den Eiern. Immer noch da, immer noch drei Stück, immer noch wunderschön.
    Kreisch! Kreisch! , machen die Amseln.
    „Okay“, flüstere ich.
    Ich sitze auf meinem Ast, umgeben von dem rasch wachsenden Laub. Schon bald werde ich hier oben ganz und gar versteckt sein. Ich wende mich der Vergangenheit zu.
    Man schickte mir ein rotes Taxi, das mich in die Corinth Avenue brachte – vielleicht, um sicherzugehen, dass ich wirklich hingehen würde. Mama begleitete mich. Der Taxifahrer trug ein gelbes Fußballtrikot mit dem Schriftzug PELE auf dem Rücken.
    Er schaute mich ständig im Rückspiegel an.
    „Bringen Sie oft Leute in die Corinth Avenue?“, fragte ich ihn.
    „Darauf kannst du wetten. Ich habe einen Vertrag mit denen. Ich habe schon viele in die Corinth Avenue gebracht, das kann ich dir sagen.“
    Er fuhr weiter, am Park vorbei, inmitten des langsam fließenden Verkehrs in Richtung Stadtzentrum.
    „Und ich könnte dir die eine oder andere Geschichte erzählen“, ergänzte er.
    „Erzählen Sie mir eine“, bat ich.
    „Nee!“ Er schüttelte den Kopf, nahm eine Hand vom Lenkrad und tippte sich mit dem Finger gegen die Nase. „Vertraulich“, sagte er.
    Er kurbelte das Fenster herunter und legte den Ellbogen auf den unteren Fensterrand.
    „In meinem Job muss ich die Klappe halten“, sagte er.
    Der Verkehr wurde immer dichter. Wagen auf Wagen schob sich durch die Straßen, vorbei an Büros und Geschäften. Langsam fuhren wir auf die Brücke. Der Bogen wölbte sich über uns. Herrlich. Unter uns funkelte der Fluss. Wunderschön.
    Ich merkte, wie er mich schon wieder anschaute.
    „Und wie lautet deine Geschichte?“, sprach er mich an. „Wenn ich fragen darf.“
    „Wie bitte?“
    „Du kannst mir ruhig sagen, wenn ich die Klappe halten und meine Nase nicht in deine Angelegenheiten stecken soll. Aber manche Kinder freuen sich, dass sie sich jemandem wie mir anvertrauen können. Und was immer du erzählst, wird diesen Wagen niemals verlassen.“
    Ich schaute Mama an. Sie schaute mich an.
    „Ich denke, wir behalten es doch besser für uns. Trotzdem vielen Dank“, sagte Mama.
    „Ist schon gut, Mama“, sagte ich da. „Ich glaube, bei Mr Pelé ist unser Geheimnis gut aufgehoben.“
    „Ich heiße Karl“, sagte Karl.
    „Okay“, sagte ich. „Wissen Sie, Karl, es ging um Gewalt.“
    „Mach keinen Quatsch!“
    „Doch, wirklich. Ich habe eine Lehrerin angegriffen.“
    „Ehrlich?“
    „Ehrlich. Mit einem Kuli.“
    „Einem Kuli?“
    „Ja. Eine ganz ausgezeichnete Waffe. Ich stach ihr geradewegs ins Herz. Ich bin ziemlich blutrünstig, wenn ich richtig wütend werde. Ich sehe vielleicht nicht so aus, aber ich bin eine echte Wilde!“ Mit gefletschten Zähnen knurrte ich ihn im Rückspiegel an.
    Karl hob die Augenbrauen. Er schüttelte den Kopf und pfiff leise. „Da sieht man mal wieder.“
    „Was sieht man mal wieder?“
    „Dass man

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