Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
wiedergefunden zu haben, gar nicht fassen. Es fühlte sich vollkommen unwirklich an. Als sie letzte Nacht in seinen Armen gewesen war, hätte sie in einer Millionen Jahre nicht gedacht, dass sie je so mit ihm durch die Tunnel des OI spazieren würde. »Es ist, ähm … Also, ich weiß nicht so genau, was da passiert, aber Sex zu haben ist, ähm …« Sie räusperte sich. »Es beschleunigt bei mir den Heilungsprozess, und … es tut nicht weh, wirklich nicht … Nicht, wenn, ähm … Ich glaube, die Lust überdeckt jeden Schmerz, daher … nein.« Er sagte nichts, also redete sie weiter. »Außerdem musst du verstehen, heute Morgen habe ich den Schmerz benutzt, ihn projiziert, um Rickie Littleton – den Joker – in die Knie zu zwingen.«
Und das hatte sie wirklich. Sie hatte ihn umgebracht, weshalb sie bei der Suche nach Nika Taylor jetzt wieder bei weniger als null anfangen mussten.
Gottverdammt!
»Aha«, sagte Shane. »Also … dann hat es nicht unbedingt was mit mir zu tun. Der Sex ist es, was dich schneller heilen lässt …?«
»Ja, der Sex«, stimmte sie zu, gestand aber dann: »Und du.« Sie räusperte sich und wechselte wieder das Thema. »Es war vermutlich der medizinische Scan. Den du für die Sache mit dem Cage Fighting hast machen lassen. Ich wette, so haben sie dich gefunden. Solche Aufzeichnungen wandern in die internationale medizinische Datenbank und … In die hacken wir uns ziemlich regelmäßig ein. Dein Vernetzungsniveau beträgt siebzehn, was wesentlich höher ist als die zehn Prozent bei durchschnittlichen Fraktionierten, und deshalb ist diese E-Mail an dich rausgegangen. Das plus dein militärisches Training … Du bist an Disziplin gewöhnt. Du bist quasi der perfekte Potenzielle. Na ja, außer, dass du männlich bist und … zu alt.«
Er sah sie an, sagte aber nichts dazu.
Also fuhr sie fort. »Normalerweise rekrutieren wir Mädchen. Östrogen treibt von Natur aus das Vernetzungsniveau nach oben und … Das beste Alter, um einen Potenziellen aufzunehmen, ist um die zehn, elf. Vorpubertär. Natürlich sind es die Hormone, die bei den meisten Mädchen das Niveau hochschießen lassen, deshalb identifizieren wir sie oft erst, wenn es schon zu spät ist. Denn die meisten Mädchen, die in späteren Jahren rekrutiert werden, bleiben nicht bei dem Programm. Ich weiß nicht, ob es die Angst davor ist, anders zu sein, oder … Die Ironie dabei ist, dass die wenigen Jungs sich dagegen oft besonders hervortun, egal, wann sie anfangen. Deswegen sehen wir uns selbst noch nach Männern in deinem Alter als Potenzielle um, um sie zu rekrutieren.«
Seine Stirn lag in Falten, als er versuchte, ihr Gebrabbel zu interpretieren. »Also … das Obermeyer-Institut hackt sich in die medizinischen Aufzeichnungen von Menschen ein – hauptsächlich in die von Kindern, von Mädchen – von Mädchen aus aller Welt?«, fragte er.
»Es gibt immer noch Länder, deren medizinische Daten nicht online sind«, sagte Mac. »Von da haben wir einige unserer besten Potenziellen. Aber der Weg, über den wir von ihnen erfahren, ist … ziemlich unkonventionell. Wir halten ständig Ausschau nach Berichten über ungewöhnliche Vorfälle – sogenannte Poltergeist-Aktivitäten, angebliche Hexerei oder Stigmata und andere rätselhafte körperliche Verstümmelungen oder Krankheiten, die durch wahnhafte Zustände entstanden sein könnten. Sie suchen wirklich nach allem Unerklärbaren, das auf einen untrainierten, außer Kontrolle geratenen Groß-Than hindeuten könnte. Wobei Poltergeist-Phänomene am häufigsten vorkommen.«
»Poltergeist-Phänomene«, wiederholte Shane. »Ich bin nicht sicher, ob ich dir folgen kann. Willst du damit sagen, dass es Poltergeister wirklich gibt, wie in diesem alten Horrorfilm?«
»Ja und nein.« Mac schüttelte den Kopf. »Nicht wie in dem Film, oder … Nicht, als würde dein alter, gruseliger toter Onkel Moe, der nebenbei ein Serienmörder war, jetzt die neuen Eigentümer des Hauses terrorisieren, in dem er seine Opfer aufgeschlitzt und klein gewürfelt hat … Nicht so ein Quatsch aus der Klamottenkiste. Ich spreche von unerklärbaren Ereignissen – Türen, die auf- und zugehen, Möbel, die sich bewegen, und tanzende Teetassen ohne einen Disney-Animator weit und breit. Ja, sogar Statuen, die Tränen aus Blut weinen – all das kann das Werk einer lebenden Person sein – meistens eines Mädchens im Teenageralter –, die über unkontrollierte telekinetische Kräfte verfügt. Die meisten
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