Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
nach, ob sie Hilfe braucht oder irgendwas?«
Nicholas hörte etwas von Uri, was wie leises Lachen klang. Er weigerte sich aber, sich umzudrehen und es genau herauszufinden. »Ja, in Ordnung«, sagte er.
Liz kicherte bereits, als er die Küchentür erreichte. Na ja, sollen sie doch, dachte er; daß die anderen ihn inzwischen ständig aufzogen, machte ihm nichts aus, es gehörte einfach zu einem Tag auf Launde Abbey. Komisch, woran man sich alles gewöhnen konnte, wenn es nur lange genug dauerte.
Isabel Spalvas war zur gleichen Zeit wie er eingetroffen; sie war Mathematikerin von der Universität Cardiff. Zu Anfang konnte er nicht mal ihren Blick erwidern, wenn sie sich unterhielten – nicht, daß sie das häufig getan hätten, denn ihm fiel nie etwas ein, was er hätte sagen können. Aber die Beschämung über die eigene erbärmliche Schüchternheit zwang ihn irgendwann, aus seiner Schale auszubrechen. Sie würden schließlich zwei Jahre unter demselben Dach verbringen; wenn schon nichts anderes, konnte er mit ihr reden, als wäre sie einer der Jungs, oft der einfachste Ansatz. Auf diese Weise wurden sie wenigstens Freunde. Dann vielleicht, nur vielleicht …
In der Küche zog sich ein langer, mattschwarzer Gußeisenherd an einer weißgetünchten Wand entlang; darüber hingen ein Satz Kupfertöpfe und sogar ein alter Bettwärmer. Ein Korb stand an einem Ende, vollgestopft mit Feuerholz, aber dieses eine Mal brannte das Feuer nicht. Auf dem großen eckigen Holztisch in der Mitte türmten sich Geschirr und Tabletts; ein Haufen nasser Salatblätter trocknete in einem Sieb neben einer Ansammlung geschnittener Tomaten und Gurken sowie zerkleinerten Rettichs und Schnittlauchs.
Isabel war damit beschäftigt, ein Schinkenstück zu tranchieren. Sie war mit einundzwanzig so alt wie Nicholas, etwa einen Kopf kleiner und hatte rotblondes Haar, arrangiert zu einer Masse winziger Löckchen, die gerade eben ihre Schultern erreichten. So, wie sie sich gerade über den Tisch beugte, verdeckten die Strähnen das Gesicht, aber Nicholas konnte sich ihre Züge jederzeit perfekt ausmalen. Fast unsichtbare Wimpern umrahmten bezaubernd klare eisblaue Augen; blasse Sommersprossen schmückten die obere Hälfte ihrer Wangen, und die Lippen waren schmal. Nicholas war fasziniert von diesem fein gezeichneten Gesicht, von dessen Ausdrucksstärke: furchterregend konzentriert, wenn sie Kitchener zuhörte, von einem strahlenden Lächeln erhellt, wenn sie glücklich war, wenn sich die Studenten in einem der Zimmer zu ihrem abendlichen Treffen versammelten. Isabel lachte natürlich am meisten über Cecils Witze und Rosettes beißenden Tratsch; Nicholas hatte es nie geschafft, die Kunst des im rechten Augenblick vorgebrachten Einzeilers zu meistern oder auch nur die der Geschichten im Stil eines Rugbyclubs.
Er stand für einen Augenblick da, zufrieden damit, sie anzusehen, einmal befreit von den anderen, die sich gegenseitig anstießen und mit dem Finger auf ihn zeigten. Isabel trug enge, verblaßte Jeans und eine ärmellose weiße Bluse, und sie hatte sich Mrs. Mayberrys braune Schürze um die Taille gebunden. Eines Tages würde Nicholas den Mut aufbringen vorzutreten und Isabel offen zu sagen, was er empfand – daß sie hinreißend war, daß es sich ihretwegen lohnte, auf dieser Welt zu leben. Und danach würde er sich zu einem Kuß vorbeugen. Eines Tages.
»Hallo Isabel«, sprudelte er hervor. Verdammt, das war zu laut und schwärmerisch gewesen!
Sie blickte von dem Schinkenstück auf. »Hi, Nick. Heute abend gibt es nur Salat, fürchte ich.«
»Du hast das doch nicht alles selbst angerichtet, oder? Du hättest was sagen sollen; ich hätte dir geholfen. Als ich in Cambridge war, habe ich oft gekocht. Ich bin ziemlich gut darin geworden.«
»Ist schon in Ordnung, Mrs. Mayberry hat das meiste nach dem Mittagessen fertig gemacht. Du hast doch nicht geglaubt, sie würde uns das anvertrauen, oder? Ich lege nur letzte Hand an. Denkst du, daß es reichen wird?« Sie deutete mit dem Messer auf das zerteilte Fleischstück.
»Ja, bestimmt. Wenn sie mehr haben möchten, kann Cecil es ja schneiden.«
»Hmm, den Tag möchte ich erleben.«
»Kann ich noch irgendwas tun?«
»Die Tabletts rüberbringen, wenn du so nett wärst.«
»Klar.« Er packte das nächststehende, hoch mit Tellern und sonstigem Geschirr vollgestellte Tablett.
»Nicht das!«
Nicholas stellte es mit schuldbewußt heftiger Bewegung wieder ab. Der Tellerstapel drohte umzukippen.
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