Mindstar 03 - Die Nano-Blume
das war immer inspirierend.
»Sieht ganz hübsch aus, finde ich«, sagte er.
»Gregory …« Wassili breitete theatralisch die Arme aus. »Das ist eine Wüste; die Mistkerle haben mich hierhin abgeschoben.«
»Du willst damit doch wohl nicht sagen, daß du lieber als Datenmischer in Moskau arbeiten würdest?«
Wassili brummte. »Nein. Nein, da hast du recht, Gregory. Ich trage hier Verantwortung und bin einigermaßen unabhängig von unseren ruhm- und kenntnisreichen Marschällen. Einen Posten im Verteidigungsministerium würde ich sowieso nicht kriegen; es fehlt mir am politischen Gespür. Also bin ich hier, Zar über sechzigtausend Quadratkilometer, selbst wenn drei Fünftel davon immer noch eisbedeckt sind.«
Man konnte den Gletscher am westlichen Horizont sehen, eine makellos weiße Linie, die die Verschmelzung von Land und Himmel störte. Allmählich funkelten die orange-rosa Spiegelungen der aufgehenden Sonne von dort herüber. Das Bild hatte eine traumartige Klarheit an sich. Greg starrte es fasziniert an.
»Hält man dich hier auf Trab, Wassili?« fragte er.
»Bah, wir sind hier, um die Grenzen des Semstwos zu schützen, bis ihm die UN die volle Unabhängigkeit zuerkennt. Wir haben die indische Zone im Norden und die französische im Süden. Ich denke nicht, daß einer von beiden hier einmarschieren wird, oder, Gregory?«
»Nein.«
»Wir sind nicht mehr als eine bessere Polizei und ersparen dem Semstwo die Kosten einer eigenen. Nicht, daß sich die Kolonisten eine Polizei leisten könnten. Meine Soldaten verbringen ihre Abende damit, Schlägereien zwischen Betrunkenen zu unterbinden. Das ist alles, was die Bauern tun, Gregory; tagsüber pflanzen sie ihr genmanipuliertes Nutzmoos in dieser Ödnis an, und abends saufen sie. Sie kommen mit so großen Hoffnungen und Sternen in den Augen hierher. Dann sehen sie, wie Grönland wirklich ist. Eine Wüste aus schmuddeligen Kieseln und sterilen Flüssen, kälter als das Blut eines Yetis. Das Land, das sie gekauft haben, wird ein Jahrhundert brauchen, ehe daraus der Garten wird, den man ihnen versprochen hat. Sie haben Freiheit erwartet und dann festgestellt, daß sie ihre Kinder dienstverpflichtet haben. Natürlich saufen sie, aber ich verzeihe es ihnen. Was kann ich sonst tun?«
»Träume sind nie billig, Wassili.«
»Ich weiß. Aber es macht mich traurig, soviel Kummer zu sehen. Sie sind so naiv. Vertraue niemals einem Menschen mit Sternen in den Augen, Gregory. Niemals!«
Greg blickte immer noch zum fernen Gletscher hinüber. Kühle Windböen kamen von dort und spielten mit seinen Haaren. Die Luft war so klar.
Er wußte, daß Event Horizon ein paar Siedlungen in der englischen Zone gegründet hatte. Julia hatte jedoch nie davon gesprochen, daß es dort Probleme gäbe. Vielleicht hatte man ihre Kleinbauern mit Pflanzrobotern ausgestattet. Julia zog technische Lösungen allem anderen vor. Aber andererseits war die Besiedlung Grönlands ohnehin ein sehr technisches Unterfangen. Als die UN das Land im Kielwasser des zurückweichenden Eises für Siedler geöffnet hatten, waren sie von der Idee ausgegangen, Grönland in eine riesige landwirtschaftliche Nutzfläche zu verwandeln. Hier konnten genmanipulierte Getreide keine Ökologie zerstören, keine einheimischen Lebensformen verdrängen. Nicht mal Bakterien im Boden gab es hier. Die Bauern konnten jeden Quadratmeter intensiv nutzen, ohne etwas zu beschädigen.
Greg rieb sich die Arme. »Es ist kalt. Ich hatte schon vergessen, wie sich richtige Bergluft anfühlt.«
»Ihr Engländer seid Schwächlinge. Es ist zu heiß, zu kalt, zu feucht. Nie zufrieden.«
»Yeah, stimmt.« Greg drehte sich wieder zu Wassili um. »Wenigstens erlaubt man uns, daß wir uns beschweren.«
Wassili erzeugte einen Furzlaut. »Jetzt, wo wir die Segnungen der Demokratie entdeckt haben, wann tun Russen denn noch was anderes?«
Greg warf einen Blick auf die vier jungen Offiziere, die mit ausdruckslosen Gesichtern hinter Wassili standen. »Ich muß mit dir reden, Wassili.«
»Bah, ein Anruf, daß du kommst. Dann ein anderer aus dem Verteidigungsministerium, daß ich heute morgen auf der Hut sein soll, es in meinem Luftraum zu keinen unerklärlichen Unfällen kommen darf. Also frage ich mich: All das für meinen alten Freund, den Apfelsinenfarmer?«
»Zur Zeit gehe ich keiner landwirtschaftlichen Tätigkeit nach. Wir sind mitten in der verdammten Pflücksaison, und man hat mich davon weggezerrt.«
»Sie lassen uns nie in Ruhe, nicht
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