Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Brücke führte von der Kuppel zum Flughafen des Stadtstaates, einer runden Betoninsel, fünfzehnhundert Meter östlich des Prinz-Albert-Yachthafens. Es ging am Terminalgebäude vorbei und über das Vorfeld zu einem Gulfstream-XX-Luxushyperschallflugzeug. Die Maschine war ein kleiner weißer Pfeil, mit einer zentralen Wölbung vom Bug bis zum Heck und einem Doppelleitwerk auf dem Rücken. In Anbetracht der Stromlinienform, die Kraft und Schnelligkeit verkörperte, hätte man sie leicht für eine organische Struktur halten können.
Charlotte duckte sich unter der scharfen Vorderkante der Tragfläche hindurch und stieg die Aluminiumtreppe hinauf durch die Luke an der Unterseite. Die Kabine war ohne Fenster; eine Tür führte nach vorn ins Cockpit, eine weitere durch das Achterschott zur Toilette. Zehn Sitze waren vorhanden. Ein lächelnder Steward in einem dunklen Purpurblazer zeigte Charlotte, wie man den Sicherheitsgurt anlegte. Jason nahm weiter vorn Platz, Fabian ihr gegenüber, und sein gieriges Lächeln flackerte immer wieder kurz auf.
Und das war es. Keine Paßkontrolle, keine durch die Einwanderungsbehörde, kein Zoll, keine Sicherheitsprüfung. Jason Whitehursts Geld setzte das banale Protokoll der alltäglichen Existenz einfach außer Kraft, eine nicht greifbare Kraft wie eine Bugwelle, die ihm alles aus dem Weg räumte. Trotzdem, fand Charlotte, hätte es irgendwelche Formalitäten geben sollen. Aber wenigstens bekam sie diesmal nicht den Widerling mit den kalten Augen zu Gesicht.
Sie nickte auf dem kurzen Flug doch tatsächlich ein. Sie erwachte, als der Steward sie sachte an der Schulter berührte. Fabians Hinterkopf verschwand gerade durch die Luke.
Charlotte sah sich verwirrt um, als sie die Ausstiegstreppe des Hyperschallflugzeuges hinuntergestiegen war. Die Gulfstream hatte auf einer runden Landefläche für Senkrechtstarter aufgesetzt. Eine steife, kühle Brise zupfte an Charlottes Kleid. Sie waren definitiv auf See; sie schmeckte richtig die frische Luft. Außerhalb der Lampen, die den Landeplatz umringten, erblickte sie jedoch nur das Band des Nachthimmels, an dem die Sterne mit ungewöhnlicher Klarheit funkelten; vom Meer war weder etwas zu sehen noch zu hören. Ein helles orangefarbenes Blinklicht leuchtete zweihundert Meter vor dem Bug der Gulfstream anscheinend mitten in der Luft. Da wurde Charlotte erst klar, wo sie hier waren.
»Willkommen auf meiner Yacht, meine Liebe«, sagte Jason Whitehurst mit einer Spur Ironie.
Charlotte lächelte. »Danke, Sir.«
Er drohte ihr mit dem Finger.
»Jason«, korrigierte sie sich.
»Gutes Mädchen.«
Wir müssen auf dem Dach des Luftschiffs stehen, dachte sie, aber es ist so stabil, sogar in der Brise; es muß riesig sein.
Fabian verschwand durch eine Tür an der Rückseite des Landeplatzes. Jason führte sie höflich dorthin.
Charlotte gähnte gewaltig und hielt sich rasch den Mund zu. »Verzeihen Sie«, bat sie.
»Müde, meine Liebe? Sie waren im Flugzeug gleich weg.«
»Es tut mir leid; Sie müssen mich für schrecklich unhöflich halten. Ich bin seit sechsunddreißig Stunden auf den Beinen. Ich komme gerade erst aus dem Urlaub zurück und habe den ganzen Tag nur Flugzeuge und Flughafenwartesäle gesehen, fürchte ich.«
Sie durchquerten die Tür und erreichten einen hell erleuchteten Flur. Fabian wartete vor einem Fahrstuhl.
»Das klingt sehr interessant«, sagte Jason Whitehurst. »Ich freue mich, morgen zum Lunch alles über Ihre Reisen zu erfahren.«
Charlotte verließ der Mut. Die Tür zum Fahrstuhl öffnete sich summend. Alles bestand hier aus Kompositmaterial, stellte Charlotte fest – Wände, Boden, Decke.
»Fabian, ich denke, du solltest deinen Gast für heute in einer der freien Kabinen unterbringen«, sagte Jason Whitehurst. »Die liebe Charlotte ist furchtbar müde. Ich denke, sie braucht eine Nacht Ruhe. Sie kann morgen zu dir ins Zimmer ziehen.«
Und das beseitigte jede mögliche Unklarheit über die Situation, dachte Charlotte. Clever von ihm, seinen Sohn in ihrer Gegenwart zu beruhigen.
Fabian machte ein langes Gesicht. »Ja, Vater.«
Sie nahm gemeinsam mit ihm den Fahrstuhl. Er sah sie immer wieder kurz an, war auf einmal wieder nervös. Sie hatte eigentlich gedacht, ihn beim Tanzen aufgelockert zu haben. »Wie alt bist du?« fragte er rasch. »Ich meine … Du brauchst es nicht zu sagen. Nicht, wenn du nicht möchtest.«
»Ich bin einundzwanzig, Fabian.«
»Oh.« Er starrte auf die stählerne Bedienungstafel neben
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