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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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fallen, wenn Sie Ihre Augen offenhalten und geradeaus schauen
würden. Das ist das eine. Das andere ist, daß – wenn ich Sie erinnern darf –
gewöhnlich der Herr derjenige ist, der die Dame kompromittiert, und zwar aus
dem einfachen Grund, daß der Verlust der Jungfräulichkeit für den Mann eine
Pflicht und keine Katastrophe ist. ›Schau, daß du sie los wirst‹, sagte
mein Vater zu mir, als ich gerade erst sechzehn war und kaum wußte, daß ich sie
besaß, wenn Sie verstehen, was ich meine. Eigenartige Sache, wenn man mal darüber
nachdenkt – die Erziehung.« Lord Sylvester gähnte diskret und reckte sich.
Seine ruhigen grünen Augen waren jetzt weit geöffnet und auf Minervas Gesicht
gerichtet. »Man muß lernen, gut zu schießen, gut zu jagen und auf den
Zentimeter genau zu treffen, ganz zu schweigen von fechten und tanzen. Und wenn
man dann das alles beherrscht, fangen sie an, einen damit zu piesacken, daß
man seine Jungfräulichkeit loswerden soll. Sie haben ja keine Ahnung, was für
ein Glück Sie haben, daß Sie eine Dame sind, Miß Armitage. Sie sehen, Sie
können mich nicht gut kompromittiert haben.«
    »Ich habe
nur höflich sein wollen«, sagte Minerva zurückhaltend. »Tatsache ist, Sir, daß
ich Ihnen recht gebe. Ich bin diejenige, die kompromittiert worden ist.«
    »Nicht,
wenn Sie niemand gesehen hat, als Sie mein Zimmer betraten. Hat Sie jemand
gesehen?«
    »Nein,
Mylord.«
    »Gut, da
haben wir's. Kein Grund zur Sorge.« Wieder reckte er sich, und seine schweren
Augenlider schlossen sich.
    Minerva
beobachtete ihn wütend.
    »Sie werden
doch nicht etwa einschlafen?«
    »Warum
nicht?« murmelte er undeutlich. »Es ist mein Bett und mein Zimmer und meine
Müdigkeit. Wenn Sie allerdings wollen, daß ich Sie noch einmal küsse, dann
wache ich natürlich schlagartig auf.«
    »Das will
ich ganz bestimmt nicht!«
    »Na also«,
gähnte er. »Gute Nacht.«
    »Sie
könnten mir wenigstens mit dem Koffer helfen«, sagte Minerva, nahm den Koffer
und ging zur Tür.
    »Wenn ich
Ihnen helfen würde, ihn zu tragen, könnten wir zusammen auf dem Gang des
Gasthofs in unseren Nachthemden gesehen werden. Und wissen Sie, ich möchte
wirklich nicht heiraten. Ich bin dreiunddreißig Jahre lang ganz gut so
durchgekommen.«
    »Es hat Sie
niemand darum gebeten, Mylord«, fauchte Minerva.
    »Ach du
meine Güte! Und ich war der Meinung, daß mir soeben ein Heiratsantrag gemacht
worden sei.«
    »Ooooh!«
    Minerva
ging hinaus, und erst im letzten Moment beherrschte sie sich so weit, daß sie
die Türe nicht hinter sich zuknallte.
    Im
flackernden, trügerischen Licht der Kerze zeigte sich jetzt, daß das Zimmer,
das sie gerade verlassen hatte, tatsächlich Nummer neun war. Minerva fand nach
vielem Suchen Zimmer sechs und konnte sich endlich schlafen legen.
    Die Rückfahrt zum Pfarrhaus am nächsten
Morgen verlief recht schweigsam. Ein feiner, pulvriger Schneefall hatte
eingesetzt, und die Fahrt dauerte diesmal, da nur ein Pferd den Wagen des
Pfarrers zog, natürlich länger.
    So sehr
Minerva es auch versuchte, sie konnte den unverfrorenen Lord Sylvester nicht
ganz aus ihren Gedanken verbannen. Sie hatte gehofft, ihm am Morgen ihrer
Abreise zu begegnen, um ihn mit all der Verachtung, die er ver diente,
behandeln zu können, aber von seiner faulen Lordschaft war nichts zu sehen.
    Schließlich
fragte sie ihren Vater, ob er gut geschlafen habe.
    »Ausgezeichnet«,
sagte der Pfarrer, ohne auch nur ein bißchen zu erröten. »Wenn ich nicht zu
Hause bin, schlafe ich immer besser.«
    Minerva
hatte nicht den Mut, ihm zu sagen, daß sie ihm auf die Schliche gekommen war.
Ob ihr Mann auch so werden würde, wenn sie erst einmal verheiratet waren? Ob
alle Männer so waren? Ob Lord Sylvester ...? Ach, sie wollte den Mann doch
vergessen!
    Zu Hause
erwartete sie eine ganz aufgeregte, vor Neuigkeiten platzende Annabelle. Sie
konnte es kaum erwarten, bis Minerva ihre Einkäufe Mrs. Armitage übergeben
hatte und sie sie in ihr Zimmer ziehen konnte, um alles über Lady Wentwaters
gutaussehenden Neffen herauszusprudeln.
    »Und
nächste Woche geht er weg, weil er in Geschäften nach Bristol muß«, stieß
Annabelle atemlos hervor, vor Aufregung hüpfend. »Mama hat ihn kennengelernt
und ist recht von ihm eingenommen. Erst hatte sie ihre Bedenken, weil es sich
herausstellte, daß er irgendwie im Handel tätig ist. Aber es scheint, daß er
irgend etwas sammelt und viele Schiffe hat. Schwarzes Elfenbein sammelt er. In
Afrika! Ist das nicht

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