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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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und Delphinen, zumal es weder Betthimmel noch Vorhänge
hatte. Über dem Bett befand sich ein Gemälde eines italienischen Meisters,
›Die Erscheinung der Jungfrau‹, auf dem alle Dargestellten blaue
Gewänder und sehr goldene Heiligenscheine trugen.
    Schöne
Orientteppiche bedeckten den Boden, und schwere Damastvorhänge in Grün und Gold
hingen an den Fenstern.
    Neben dem
Schlafzimmer war ein Bad und ein Ankleidezimmer. Minerva wurde sich bewußt,
daß sie all diese Pracht mit offenem Mund bestaunte, und machte sich daran, dem
Mädchen beim Auspacken zu helfen.
    Plötzlich
hörten sie unter den Fenstern Lärm und lautes Rufen. Sie durchquerten das
Zimmer und schauten hinaus. Ein lärmende Gesellschaft von jungen Lebemännern
zog grölend um den Platz; ihre Gesichter waren gerötet und aufgedunsen vom
Wein.
    Minerva zog
sich schnell vom Fenster zurück. Würde Sie am Ende der Saison mit einem von
ihnen verheiratet sein?
    Sie packte
weiter aus und war dankbar, daß ihr ein Teetablett gebracht wurde.
    Als die
hübsche vergoldete Uhr auf dem Sims ein Uhr schlug, fragte sich Minerva, ob sie
sich auf die Straße wagen sollte. Es sah nicht so aus, als würde sie ihre
Gastgeberin je sehen. Der Wagen mit Betty sollte so früh wie möglich die lange
Reise zurück nach Hopeworth antreten, aber Minerva fürchtete sich und wollte
das Mädchen, das ihre letzte Verbindung zu ihrem Zuhause war, noch nicht wegschicken.
    Schließlich
klopfte ein riesiger Lakai in grüngoldener Livree an der Tür und ließ sie
wissen, daß Lady Godolphin wach sei und darauf brenne, Miß Armitage zu sehen.
    Es stand
Minerva nun frei, ihr Mädchen zu entlassen, und der Abschied gestaltete sich
äußerst tränenreich. Sie drückte Betty eine Guinee in die Hand und schmälerte
dadurch ihr Nadelgeld um ein Zehntel; dann folgte sie dem stattlichen Diener
die Treppe hinab zu einer Reihe von Zimmern im ersten Stock.
    Schon im
voraus malte sie sich Lady Godolphin als eine ehrfurchtgebietende
aristokratische Erscheinung aus und hoffte nur, daß ihr ein Knicks gelang, der
tief genug war.
    Lady
Godolphin saß in ihrem Salon am Feuer, als Minerva hineingebeten wurde.
    Sie ähnelte
keinem der Bilder, die Minerva sich von ihr gemacht hatte.
    Lady
Godolphin mußte mindestens Ende Fünfzig sein. Sie hatte runde Schultern, ein
plumpes Bulldoggengesicht und blaßblaue Augen unter runzligen Lidern. Ihre
dünnen grauen Haare waren von einem riesigen rubinroten Samtturban bedeckt.
    Ihr
Morgengewand aus Samt war sehr tief ausgeschnitten und enthüllte einen üppigen,
wenn auch schlaffen Busen. Ihre muskulösen Arme waren mit Sommersprossen
übersät. Sie war untersetzt und stämmig. Es war überraschend, wie sehr ihre
Figur der des Pfarrers ähnelte. Aber nicht das schockierte Minerva. Es war
vielmehr die Tatsache, daß Mylady dick angemalt war. Ihr Gesicht und ihr
Dekolleté waren mit weißer Schminke bedeckt, und ihre Wangen leuchteten rot.
Ihr Mund war karmesinrot geschminkt, und ihre stoppeligen Wimpern waren mit
einer dicken Schicht Lampenruß getuscht.
    Aber das
schlimmste an ihr war ihr Schnurrbart, in dem sich weißer Puder festgesetzt
hatte.
    Bei
Minervas Eintritt sprang sie auf und eilte ihr entgegen, um sie zu küssen.
Minerva brachte es fertig, dem Ansturm von Gerüchen, der auf ihre Nase
eindrang, standzuhalten, eine Skala, die von Bleifarbe, einem Parfüm mit dem
Namen ›Mädchenblüte‹, Brandy und Rosenwasser bis zu saurem Schweiß
reichte.
    »Meiner Treu,
du bist aber wirklich so hübsch, daß du den Männern den Kopf verdrehen wirst,
Miß Armitage. Ich hatte nicht viel Hoffnung, daß aus dem Armitage-Stall was
Besonderes kommt, obwohl deine Mama in ihrer Jugend eine Schönheit war«, lachte
Lady Godolphin mit einem überraschend mädchenhaften Charme.
    »Wir werden
in dieser Saison das Rennen machen. Ich kann dir nämlich versichern, daß ich
das Alleinsein auch satt habe, und ebenfalls vorhabe, einen Mann zu suchen.
Dein erstes Kleid kommt heute nachmittag, und Monsieur Lognon macht dir
eigenhändig eine wunderbare Frisur. Wir sind heute abend bei den Aubryns. Sie
sind ungeheuer ›in‹, und, obwohl die Saison noch nicht begonnen hat,
können wir die
Marktlage studieren, denn jeder, der etwas auf sich hält, geht hin.«
    »Heute
abend?« fragte Minerva leise. In Hopeworth ruhte sich jeder mindestens einen
Tag aus, selbst wenn er nur nach Hopeminster gefahren war.
    »Ja, ist
das nicht aufregend? Aber etwas anderes, wie alt würdest du mich

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