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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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ganz normal aussah – sofern man Lady
Godolphins Aussehen jemals als normal bezeichnen konnte –, brachte sie es
fertig, sie so ruhig zu begrüßen, daß sie selbst ganz überrascht war.
    Lady
Godolphin war begeistert über den britischen Erfolg bei der Einnahme von
Ciudad Rodrigo. Sie lobte Wellington in den höchsten Tönen und hoffte, daß die
Liberalen sich nun zu Tode schämten. Die Liberalen hatten einen schweren Schlag
hinnehmen müssen, als der Prinz von Wales im vorigen Jahr zum Regenten ernannt
worden war. Sie hatten angenommen, daß er – wie sie – Wellington für einen
Nichtskönner und den Krieg gegen Napoleon für Zeitverschwendung hielt. Der
Prinzregent hatte aber in seiner Antrittsrede Wellington gelobt und die
Franzosen scharf kritisiert.
    Lady
Godolphins Schlachtbeschreibung war ziemlich originell, und Lord Sylvester
mußte häufig ganz schnell wegschauen, als sie enthusiastisch und mit vielen
unpassenden Fremdwörtern beschrieb, wie die Engländer die französischen
Befestigungsanlagen gestürmt hatten.
    Minerva war
das alles sehr fremd. In Hopeworth schienen die Dorfbewohner nichts vom Krieg
zu wissen. Spanien war so weit weg, und Napoleon war in ihren Augen ein
Ungeheuer, das sie schon so lange in Furcht und Schrecken hielt, daß sie
beinahe vergessen hatten, daß er immer noch eine Bedrohung darstellte.
    »Aber eins
verstehe ich nicht«, rief sie aus. »Wenn die Franzosen so verabscheuenswürdig
sind, daß wir Krieg mit ihnen führen, warum übernehmen wir dann ihre Moden und
warum läßt jeder möglichst viele französische Rede wendungen in die
Unterhaltung einfließen?«
    »Ich weiß
es nicht«, sagte Lady Godolphin. »Aber ›Chacun ä son goût‹, wie wir in
St. James zu sagen pflegen.«
    Minerva war
der Fremdwörter überdrüssig und verbesserte Lady Godolphins Aussprache.
    Diese
verstand nicht und fragte überrascht nach.
    »Miß
Armitage hat Sie nur gefragt, ob Sie heute nachmittag irgend etwas vorhaben«,
sagte Lord Sylvester heimtükkisch.
    »Nein,
heute nachmittag nicht«, antwortete Lady Godolphin mit einem verwunderten
Blick auf Minerva. »Du mußt darauf achten, daß deine Aussprache deutlich ist.
Eine bäurische Sprache ist absolut nicht erwünscht.«
    »Sehr wohl,
Mylady«, sagte Minerva mit einem wütenden Blick auf Lord Sylvester, dessen
Schultern vor unterdrücktem Lachen bebten.
    »Jetzt muß
ich ein Nickerchen machen. Ich bin ganz erschöpft von all meinen
Verpflichtungen«, sagte Lady Godolphin, ohne auch nur im geringsten zu
erröten. »Ich vertraue darauf, daß Sie sich anständig benehmen, Comfrey.«
    Würdevoll
schritt sie hinaus.
    »Sie
sollten sie nicht noch ermutigen«, sagte Minerva streng. »Ihre Sprache ist
entsetzlich.«
    »Sie dürfen
das alles nicht so ernst nehmen, Minerva.«
    »Wenn Sie
mich jetzt entschuldigen wollen ...«
    Er beugte
sich über ihre Hand und küßte sie. Zärtlich hielt er ihre Hand fest und schaute
ihr tief in die Augen. Minerva fühlte, wie sie dahinschmolz. Ein quälendes Verlangen,
sich in seine Arme zu werfen, überkam sie. Sie bekämpfte es, indem sie ihre
Hand abrupt zurückzog und zum offenen Kamin ging, wo sie verärgert mit dem
Rücken zu ihm stehenblieb.
    Als sie
sich nach einiger Zeit umdrehte und feststellte, daß er gegangen war, war sie
sehr enttäuscht.
    Zwei Tage,
nachdem Minerva Lady Godolphins Ehebruch entdeckt hatte, brach ein ruhiger,
sonniger Morgen über Hopeworth an.
    Annabelle
reckte und streckte ihre schlanken Glieder und überlegte, was sie in der Kirche
anziehen sollte. Sicherlich war Guy Wentwater da, auch wenn er während der
Woche nicht zur Abendandacht erschienen war. Obwohl Josephine und Emily am
Montag nach London gehen sollten, um am Mittwoch am Eröffnungsball bei Almack
teilnehmen zu können, wollte sie schon vorher sehen, ob es ihr gelang, Guys
Gefühle für sie neu zu beleben. Es wäre doch zu ärgerlich, wenn ihn eine der
Töchter von Sir Edwin zum Freier hätte.
    Annabelle
war der Haushalts- und Gemeindepflichten überdrüssig und wünschte, Minerva wäre
nicht so vorbildlich gewesen. Sie mußte Besuche machen, Bündel von Bettzeug
für die Armen herrichten und für die Kranken bereithalten. Vor allem galt es,
mit dem Haushaltsgeld zurechtzukommen: Annabelles ungeübte kritzelige
Handschrift sah ganz unordentlich unter Minervas sauberen Schriftzügen im
Haushaltsbuch aus.
    Schließlich
zog Annabelle ein hübsches, besticktes Musselinkleid an und versammelte die
Kinder bei ihrer Mutter, die sie

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