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Minerva - sTdH 1

Minerva - sTdH 1

Titel: Minerva - sTdH 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Chesney
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einem erbaulichen Buch vor, das
›Szenen am Totenbett‹ hieß. Sie wählte eine ihrer Lieblingsgeschichten
aus, und zwar die Geschichte vom ›Ungetreuen Bauern‹.
    Nach einer
Weile merkte Minerva, daß Lady Godolphin gar nicht zuhörte. Sie legte das Buch
mit einem Seufzer hin.
    »Mylady«,
wagte sie zu fragen, »glauben Sie, daß die Ehebrecher im Ewigen Feuer
schmoren?«
    »Ich weiß
es nicht«, sagte Lady Godolphin mit einem unschuldigen Augenaufschlag. »Ich
habe noch nie darüber nachgedacht.«
    »Dann
denken Sie jetzt darüber nach«, drängte Minerva sie.
    Die
Schminke auf Lady Godolphins Gesicht legte sich in ganz
schreckliche Falten, als sie sich konzentrierte. Sie schüttelte den Kopf. »Ich
weiß es nicht«, sagte sie wieder, »aber wenn ich in die Hölle komme, lasse ich
es dich wissen.«
    »Mylady!«
    »Minerva,
du sollst nicht über so traurige Dinge nachdenken. Ich glaube, daß du bei den
vielen Freiern, die du hast, bald
verheiratet sein wirst. Wir sollten lieber an dein Brautkleid
denken. Ich hatte ein schönes Brautkleid, als ich Godolphin heiratete. Es war
ganz aus Spitze und Satin. Sogar mein Mann
hat es immer wieder angefaßt und gesagt, daß er so etwas Schönes noch nie
gesehen hat. – Ich würde sagen, setz auf Lord Chumley.«
    »Er
erinnert mich an ein Schaf.«
    »Bei den
meisten stimmt irgend etwas nicht. Es ist schade, daß Comfrey kein Mann zum
Heiraten ist. Du mußt das Beste aus
dem machen, was da ist. Chumley ist verhältnismäßig jung. Du kannst dich nach
deiner Hochzeit verlieben. Das machen die meisten Damen der Gesellschaft so.«
    Aber
Minerva schüttelte ihren hübschen Kopf: »Wenn ich verheiratet bin, bleibe ich
meinem Mann unter allen Umständen treu.«
    »Denk über
Chumley nach. Jede Frau kann lieben, wenn sie es nur richtig will.«
    Aber kann
sie auch nicht lieben, wenn sie es will? dachte Minerva, plötzlich ganz
niedergeschlagen. Es war doch nicht möglich, daß sie Lord Sylvester liebte. Es
war einfach nicht möglich.
    Seufzend
entschuldigte sie sich und ging in ihr Zimmer, um Briefe nach Hause zu schreiben.
Wie sehr hätte Annabelle die Saison genossen! Was für ein Jammer, daß sie
nicht hier ist statt meiner, dachte Minerva zum hundertsten Mal.

Neuntes
Kapitel
    Der Pfarrer neigte seinen großen Kopf
leicht zur Seite und lauschte genüßlich dem Gesang seiner Hunde in ihrem
Zwinger. Abgesehen von ihren sonstigen Fähigkeiten sangen die Hunde auch noch
gern, besonders an schönen Sommertagen. Ihre Stimmen hoben und senkten sich im
Chor, und für den Pfarrer war das die lieblichste Musik auf Erden.
    Wie Theseus
dachte er an seine Hunde:,». . . wie Glocken waren sie aufeinander abgestimmt,
jeder auf jeden, nie wurde zu einem wohlklingenderen Ton zur Jagd gerufen oder
auf dem Horn geblasen.«
    Der Pfarrer
saß auf einem Baumstumpf am Rande des Obstgartens und genoß in aller Muße die
Morgensonne.
    Es sah so
aus, als gäbe es nach all den schlechten Jahren eine Rekordernte. Seine älteste
Tochter fiel ihm ein. Er hätte Minerva nie wegschicken sollen. Sie war unglaublich
hübsch, aber sogar ihr sie liebender Vater mußte sich eingestehen, daß sie
etwas Prosaisch-Nüchternes an sich hatte.
    Außerdem
vermißte er sie bereits. Die Dinge liefen nicht so glatt. Die Kinder zankten
sich andauernd. Andererseits hatte er volles Vertrauen zu Lady Godolphin. Sie
würde bestimmt dafür sorgen, daß Minerva einen Mann mit Geld heiratete. Denn
Lady Godolphin hatte schon immer etwas für ihr Geld sehen wollen. Das Gewissen
schlug ihm, wenn er daran dachte, daß Minerva in Erfüllung ihrer Pflicht einen
Mann heiraten müßte, den sie nicht mochte. Dann tröstete er sich mit dem
Gedanken, daß das der Lauf der Welt sei. Er war überzeugt davon, daß ihn seine
eigene Frau auch nicht übermäßig liebte. Er dachte an all die bis über beide
Ohren verliebten Paare, die vor ihm am Altar gestanden waren und die er
getraut hatte. Ehe ein Jahr um war, waren sie
schon wie Hund und Katz. Die Abgeklärteren schienen besser zurechtzukommen.
    »Mr.
Armitage!«
    Der Pfarrer
blickte auf, ärgerlich über die Unterbrechung seines ruhigen Gedankenflusses.
    Mr.
Pettifor, sein Kooperator, stand vor ihm und zupfte nervös an seiner langen
roten Nasenspitze.
    »Ja,
Pettifor, was gibt's?«
    »Ich halte
nichts von Klatsch«, begann der Kooperator ergeben.
    »Dann
lassen Sie es bleiben«, folgerte der Pfarrer durchaus vernünftig. »Hören Sie
sich diese Hunde an, Pettifor. Himmelsklänge, man kann es

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