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Mingus

Mingus

Titel: Mingus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keto von Waberer
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das fette Schwein?«
    »Wir rauben sie einfach und fragen sie, ob sie bei uns mitspielen will, die Kleine …« Beppo lacht. Alle lachen.
    »Großartiger Plan!«
    »Das soll der heilige Mono dir gesagt haben? Nie und nimmer.«
    »Ganz leicht! In die Oberstadt rein und wieder raus mit einer Aristo«, schreit Beppo lauter als alle anderen.
    »Großer Khan«, sagt Alan und wedelt mit den Armen, um wieder Ruhe herzustellen. »Wieso sollte diese Aristofrau uns helfen wollen?«
    »Weil sie mich liebt«, sage ich so gelassen, wie ich kann. Da herrscht erst mal Schweigen, und ich schließe die Augen und stelle mir den kleinen Bruder vor und bitte die Schicksalsgötter, wenn es die gibt, denn Papa hat an sie geglaubt und oft von ihnen gesprochen, ich bitte die Schicksalsgötter und den kleinen Bruder, mir diese Lüge zu verzeihen und mich nicht zu strafen.
    Sie ziehen sich in eine Ecke zur Beratung zurück. Ich bin ganz erschöpft von diesem Auftritt und rolle mich zusammen, um zu dösen. Vielleicht ist es ja gar keine Lüge, dass sie mich liebt. Als wir zusammen waren jedenfalls, hat sie mich geliebt. So was kann ich spüren. So ein Mensch spürt das vielleicht nicht, aber ich kann das spüren. Ich bin anders. Natürlich will ich sie niemals zum Präsi schicken. Ich will nur meine Amas dazu benutzen, sie für mich zu finden und sie für mich zu rauben. Sie gehört mir. Sie weiß, dass sie mir gehört. Wir können zusammen sein und können weggehen aus dieser ganzen entsetzlichen Megacity. Wie, das werde ich dann schon sehen. Ich bin klug und einfallsreich wie keiner von diesen abgetakelten alten Dumpfbacken hier um mich herum. Jetzt müssen sie mich nur noch losbinden. Ich belausche sie.
    Einige halten meinen Plan für unausführbar, ja todesmutig. Frauen für schwierige Aufgaben einzusetzen ist anormal, ja ketzerisch. Sie halten nichts von Frauen. Schon gar nicht von einer Aristo. Sie alle hassen den Präsi. Sie verschwenden ihre ganze Kraft darauf, ihn zu verfluchen, anstatt über den Plan zu beraten. Sie unterhalten sich über alles mögliche andere. Unwichtiges Zeug. Es muss furchtbar sein, alt zu werden bei den Menschen.
    Sie plappern: Etwas ist offenbar schiefgelaufen bei der letzten Klonung des Präsis. Ich höre nicht, was. Er braucht vor allem Soldaten. Männer. Das Volk ist überaltert. Kaum Geburten. Die Frauen, diese kämpferischen Frauen, bekommen Kinder. Keiner weiß, wo die Gayanerinnen ihren abscheulichen Kleinstaat haben, irgendwo in der Wildnis. Der Präsi ist wild darauf, sich dort zu bedienen. Die Alten halten den Präsi für unser aller Unglück. Keiner ist ihm je nahegekommen. Ich schlafe erst mal ein bisschen. Alles wird sich finden. Ich bin guten Mutes.
    Aber die Tage vergehen, und sie binden mich nicht los. Nachts höre ich sie flüstern. Sie sind sich nicht einig. Sie zweifeln an meinem Plan. Sie warten auf ein Zeichen.

NIN
    Seit Tagen Regen. Viel zu früh in diesem Jahr, sagen alle, es ist noch nicht Herbst. Der Präsi gibt unseren Feinden die Schuld. Die Stadt ist schlammig und klamm.
    Ich esse Suppe unter der Plane. Heiße Suppe. Mittlerweile schmeckt sie mir immer besser. Gonzo ist losgezogen, um den Menschenauflauf zu erkunden, der sich seit Stunden auf dem Avatar zusammenrottet. Aufrührer! Ich höre ihre Protestrufe bis hierher. »Tod dem Tyrannen.« Die armen verzweifelten Menschen. Was soll das denn bewirken? Sie werden umgemäht, wie letztes Mal.
    Mein Suppenverkäufer erkennt mich sofort und fragt, ob es mir nass genug sei heute. Der Mann neben mir mit den Schwimmhäuten zwischen den Fingern lacht gurgelnd und schmatzt seine Suppe. Ich lache auch.
    Ein fetter Mann setzt sich auf meine andere Seite und stößt mich an.
    »Nichts für ungut«, sagt er. Ich nicke.
    Er schaut mir ins Gesicht, mit einem unverschämten Blick von ganz nahe. Es ist unhöflich, jemanden so anzuglotzen. Ich löffle eilig meine Suppe.
    »Setzen Sie doch Ihre Kapuze ab, schönes Kind«, sagt er. »Die ist ja ganz nass.«
    Ich neige den Kopf tief über meinen Napf und fische die Algenfetzen heraus. Ich setze die Kapuze nie ab. Ichwill nicht, dass jemand den schmalen goldenen Vogel mit den ausgebreiteten Schwingen sieht, am Haaransatz: das Aristozeichen.
    »Die Tagessuppe!«, ruft er. »Sind Sie oft hier?«, fragt er mich vertraulich, seinen Kopf dicht neben meinem.
    »Zahlen!«, sage ich und rutsche vom Hocker.
    Der dampfende Napf steht vor ihm, aber er isst nicht, sondern starrt mich an. Ich pfeife nach Gonzo und

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