Minus 0.22: Monster In Uns (German Edition)
konnten. Sie sprachen seit dem Vorfall wenig miteinander, sogar noch weniger als sonst. Sie saßen nebeneinander und beobachteten ihre Atemzüge, die in Form von kleinen Wolken zum Himmel aufstiegen.
Lüc teilte zwar mit ihrem Liebsten die Enttäuschung über Willi, dennoch hielt sie es für die falsche Entscheidung, ihn mit einem Revolver zu bedrohen. Wobei es Zack nicht nur um die bloße Bedrohung ging, sondern es ihm durchaus ernst war. Eine Diskussion über seine Absicht, Willi auszuschalten, hätte nur zu weiteren Streitereien geführt, weswegen er das Thema nicht mehr angeschnitten hatte. Der Entschluss stand nach wie vor, aber eine derart schwierige Entscheidung zu überstürzen, könnte weitaus mehr Chaos verursachen als verhindern. Er würde einfach, wie bei allen schwierigen Entscheidungen, den perfekten Moment abwarten, so glaubte er.
Lüc verdrängte die Problematik mit Willi und dem Kartenspieler mit einem ihr unangenehmeren Gedanken.
„Es ist irgendwie seltsam“, sagte Lüc.
Zack drehte sich fragend zu Lüc, ohne ein Wort zu sagen. Das war seine Art nachzufragen. Der blutige Verband um seiner rechten Hand und dem über seinem herausgerissenen Auge war mittlerweile erneuert, weswegen sein Anblick nicht mehr allzu scheußlich war.
„Alles“, stellte sie fest. „Vor Monaten war alles noch in Ordnung, obwohl wir uns im Krieg mit der Ex-V3 befanden. Wir steckten immer in Schwierigkeiten, allerdings war alles nicht so schlimm, so lange wir alle an einem Strang zogen. Die alte Harmonie fehlt mir.“
„Du willst also wieder Friede, Freude, Eierkuchen?“, zischte Zack. „Wir können Willi nicht mehr trauen.“
„Er hat einen Freund beschützen wollen“, sagte Lüc. „Ein Freund, den wir alle verachten, aber der Kartenspieler war sein Freund.“
„Tolle Freunde.“
„Du kannst es nicht nachvollziehen, da für dich Freundschaft nicht existiert“, sagte Lüc scharf. „Frederick, Löckchen, Willi - es sind alles nur Kumpels, oder Mitarbeiter, Kameraden, wie auch immer du sie nennen willst.“
„Stimmt“, sagte Zack. „Ich habe nur dich, deswegen will ich dich mit allen Mitteln beschützen. Da kann ich Saboteure an meiner Seite nicht gebrauchen.“
Zacks Worte hatten einen schönen Kern, dennoch waren sie von einer kalten Schale umhüllt. Sie fühlte sich an ihren wirren Traum zurückerinnert, in dem ihr ein anderer Zack gegenüber saß, der im Grunde wie ihr Zack war, der ebenfalls nur ein Ziel vor Augen hatte, aber sich ihr weitaus fremder verhielt. In ihrem Traum war dieser Zack ein Fremder, der sie nur ziemlich gut kannte, als wäre er aus einer anderen Welt. Sie steckte ihre Fingerspitzen in ihre Hosentasche und fühlte an den Fingerkuppen eine der Patronen, die ihr irgendjemand zugesteckt hatte. Diese Patronen sollten ihren Zack beschützen, angeblich vor Willi. Es war kein Zufall, dass sie diese Patronen in einer schwierigen Zeit erhielt, in der das Fass kurz vorm Überlaufen stand. Was sie mit ausgerechnet sechs Patronen, die es in Blutwäldchen zu Genüge gab, bewirken konnte, war ihr immer noch nicht klar.
„Du bist so still“, sagte Zack.
„Ich war nur am Nachdenken.“
Er legte seine unverletzte Hand auf ihre. „Ich möchte ehrlich zu dir sein“, eröffnete er. „Wir werden den Kartenspieler irgendwie stoppen, so wie wir alle Probleme bisher gelöst haben. Doch danach... Meine Entscheidung steht fest, Louise. Du wirst dich auch für eine Seite entscheiden müssen.“
Lüc verstand. „Ich weiß“, sagte sie und vergrub ihre Hand tiefer in ihrer Hosentasche, um alle sechs Patronen erfühlen zu können.
„Ich verlange von dir nichts, außer dass du meinen Entschluss nachvollziehst“, sagte Zack.
Lüc nickte. Ein Tag zuvor war sie noch weniger verständnisvoll, als sie in Zacks Schussbahn sprang. Ihr Herz hatte sie gezwungen, einen guten Freund zu retten, doch ihr Traum in Kombination mit dem mysteriösen Geschenk in ihrer Hosentasche steuerte dagegen. Das Schicksal diktierte ihr eine andere Entscheidung.
„HALLIHALLO!“, schrie der verrückte Künstler George Power, der ihnen entgegen lief. Ein blutroter Schein schien ihn zu verfolgen. „Euch habe ich gesucht!“
Zack schnaufte. „Er hat uns gefehlt.“
George Power stoppte vor ihnen und wedelte mit einem weißen Briefumschlag vor ihren Augen herum.
„Ein neues Kunstwerk?“, fragte Zack genervt.
„OH GOTT!“, schrie Lüc als sie das blutige Loch an George Powers Kopf bemerkte. „Du blutest! Dein
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