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Minuszeit

Minuszeit

Titel: Minuszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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schienen die ganze Zeit zu reden, aber das hatte wahrscheinlich den Grund, dass sie zu nichts anderem fähig waren.
    Während einer Atempause vor dem Entladen des letzten Busses nickte Carson zu den beiden muskulösen Pflegern, die Rücken an Rücken auf dem Dach des Busses saßen und durch Feldstecher spähten. Er sagte: »Wir könnten Hilfe gebrauchen.«
    Jean Marshall lachte. »Höre ich da einen Unterton von Kritik? Aber im Ernst, Mr. Carson, diese zwei sind unsere Wächter. Sie werden nicht oft gebraucht, weil die meisten Leute wissen, dass diese Strandbucht für das Krankenhaus reserviert ist, und ihr freiwillig fernbleiben. Aber es gibt andere, neugierige Typen, die ihre Nasen überall hineinstecken müssen, und manchmal kommen sie sogar mit Kameras. Wenn welche von der Sorte auftauchen, dann gehen die Wächter ihnen entgegen, klären sie auf und überreden sie zur Umkehr. Bei ganz Uneinsichtigen ist es schon vorgekommen, dass ihre Teleobjektive ins Meer geworfen und die teuren Kameras mit Sand gefüllt wurden. Dann und wann kommt es auch zu direkten Tätlichkeiten …«
    »Ihre Abschreckungsmittel entwaffnen meine Kritik«, sagte Carson. »Nun, laden wir diesen Haufen aus, damit wir uns endlich im Wasser abkühlen können.«
    Aber bis sie den letzten Bus entladen hatten, wollten sich auch die Leute in den Liegestühlen im Wasser abkühlen. Dies war der beste Teil des Ausflugs. Statt des winzigen Schwimmbeckens der Klinik mit seinen Spezialgeräten, Angeln und Gurten gab es hier richtige Brecher, einen kilometerlangen Streifen heißen Sand und Tausende von glatten bunten Kieseln. Weil keiner der Patienten schwimmen konnte, mußten sie ins Meer getragen, untergetaucht und im seichten Wasser umhergezogen werden. Alle bis auf eine, allerdings, deren Schultern Hände und deren Hüften Füße entwuchsen, und die schwimmen konnte wie ein schwanzloser Fisch.
    Sie hatten so viel Spaß, sie alle freuten sich so über diese Unterbrechung ihres eintönigen Daseins und waren ihren Helfern so dankbar, dass Carson am liebsten die fürchterlichsten Flüche ausgestoßen hätte, um seinen Gefühlen Luft zu machen. Normalerweise hielt er sich nicht für einen besonders glücklichen Menschen, aber hier und jetzt fühlte er sich so glücklich, dass es fast ein physischer Schmerz war.
    Dieser Schmerz blieb die folgenden zwei Stunden mit ihm, während er alte und junge Patienten ins Wasser trug, untertauchte, stützte, in die Brandungswellen hielt, wieder an Land zog, in die Liegestühle bettete und abtrocknete. Er hatte keine Zeit, an etwas anderes zu denken, bis Dr. Morris ihn schließlich an den Grund seines Hierseins erinnern mußte.
    »Ich vermute, Sie hatten für den Rest des Tages Ihre eigenen Pläne«, sagte er zu Carson. »Wir sind dankbar für Ihre Hilfe, aber Sie sollen sich nicht zu Tode arbeiten. Sie können jederzeit gehen, wann immer Sie wollen. Aber Sie hatten den Wunsch, sich über John Pebbles zu informieren, Doktor …«
    Carson warf Jean Marshall einen schnellen Blick zu. Sie schaute leicht lächelnd auf ihre Hände und wartete offenbar ab, ob und wie er sich aus dem Mißverständnis manövrieren würde. Er sagte verlegen: »Ich bin kein Arzt, Doktor. Nicht mal ein Psychologe …«
    Morris starrte ihn drei unbehagliche Sekunden lang an, dann zuckte er die Schultern. »Sie hätten mich täuschen können, Mr. Carson. Aber Sie wollten über Pebbles hören.« Er wandte sich um und pfiff und winkte jemandem am Strand. Carson spähte in die Richtung und sah eine zierliche junge Frau in einem gelben Badeanzug zurückwinken und dann herankommen. Sie war schön, mit glatter, dunkel gebräunter Haut und langem, schwarzem Haar. »Pebbles vertraute ihr mehr als jedem anderen von uns«, bemerkte der Arzt, »und sie kümmerte sich besonders intensiv um ihn. Schließlich war sie es, die ihn fand.«
    »Schwester Sampson«, sagte er, als die Pflegerin bei ihnen anlangte, »wird Ihnen alles sagen können, was Sie über John Pebbles wissen wollen …«

 
13.
     
    Es war vor mehr als vier Jahren im Vorfrühling gewesen. Die Krankenpflegerin Sampson hatte einen freien Nachmittag benutzt, um an die Küste zu fahren und einen Spaziergang über den Strand und zu der kleinen Bucht zu machen, die zwei Kilometer nördlich hinter felsigen Ausläufern lag. Es war eine schöne, urwüchsige Landschaft dort, aber zum Schwimmen ungeeignet, weil der Grund unter dem seichten Wasser der Bucht voll von Steinen, scharfkantigen Felsen und sandigen

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