Mir verspricht dein Name Liebe
machte eine kleine Pause und Isolde nickte dazu. Ja ihr Vater war sehr lieb zu ihr gewesen, zumindest, als sie noch klein gewesen war.
„Aber ich sehe dabei einen anderen Menschen. Vor dir und dem Personal haben wir uns stets als ein mustergültiges Ehepaar verhalten, aber das waren wir nicht. Von Anfang an nicht.“
Ein leidvoller Zug erschien auf dem bleichen Gesicht der Baronin, als sie so sprach. Mitleidsvoll sah es ihre Tochter. Doch sofort hatte sich die Edelfrau wieder in ihrer Gewalt und sprach weiter.
„Dein Vater war mehr als zehn Jahre älter, als er mich zur Frau nahm. Mein Herz war damals heimlich an einen anderen Mann gebunden, der sich mir noch nicht offenbart hatte. So musste ich mich den Wünschen meiner strengen Eltern beugen und deinen Vater ehelichen.“
Sie atmete heftig auf und fuhr fort: „Ich wollte ihnen nicht noch mehr Gram zufügen. Meine Zwillingsschwester Helene hatte ihnen durch ihre Heirat mit einem mittellosen Bürgerlichen schon genug Kummer bereitet.“ Wieder zuckten ihre Mundwinkel schmerzlich.
„Und da ich damals offiziell ungebunden war“, bei diesen Worten flatterte die Stimme der Baronin leicht, „sollte wenigstens ich standesgemäß heiraten, um für die Zukunft versorgt zu sein. Das Erbe ging ja an unseren Bruder Adalbert. Aber ich bekam eine nicht unerhebliche Summe als Mitgift.“
Die Baronin schwieg, wie um sich zu sammeln. Was sie jetzt sagen musste, würde für ihre geliebte Tochter sehr schwer werden.
„Nun, um es kurz zu machen, im Laufe meiner Ehe stellte ich fest, dass dein Vater ein Spieler war, der seine Leidenschaft nicht zügeln konnte. Er verlor nach und nach erhebliche Teile seiner ehemals riesigen Besitztümer. Er verspielte auch meine ganze Mitgift. Und nach seinem Tod stellte ich fest, dass auch das Gut von Barlinghausen ihm nicht mehr gehörte!“
Isolde hatte den letzten Worten ihrer Mutter mit Unmut zugehört und konnte sich jetzt nicht mehr beherrschen. Ihr geliebter Vater, ein gewissenloser Spieler, der seine Familie mittellos zurückließ?
„Aber wir leben doch noch hier, Mutter, wie kann das sein?“, rief sie heftig, „Du übertreibst sicherlich!“ Die Baronin schüttelte schweigend den Kopf.
„Erklär es mir, Mutter!“
„Als ich die Papiere deines Vaters nach seinem Tod ordnete, fand ich dieses Schreiben!“ Sie reichte ihrer Tochter ein vergilbtes Schriftstück, dessen Siegel gebrochen worden war. Isolde nahm es zögernd und entrollte es. Oben war das Wappen derer von Barlinghausen abgebildet und darunter stand ein Text in der Handschrift ihres Vaters. Sie kannte sie gut von den vielen Briefen, die er ihr regelmäßig in die jeweiligen Feriendomizile schickte. Er wollte ihr damit das Heimweh vertreiben, unter dem sie als kleines Mädchen beständig gelitten hatte. Sie las:
Rechtliche Verfügung
Hiermit verfüge ich, Ludwig Freiherr von Barlinghausen, dass das gesamte Gut von Barlinghausen nach meinem Tod in den Besitz des Fürsten von Kornwallenburg übergeht.
Diesem obliegt es fortan, für die Zukunft meiner Gattin, Sophie, Freifrau von Barlinghausen und meiner Tochter Isolde, Freiin von Barlinghausen, angemessen zu sorgen.
Dann folgte noch die Unterschrift des Vaters. Das Datum war ein wenig verwischt, als wären Tränen darauf geflossen. Isolde war erschüttert. Was ihre Mutter sagte war wahr!
„Aber…“, stammelte sie.
„Du fragst dich, warum diese Verfügung nicht vollstreckt wurde, nicht wahr?“, fragte die Baronin mit fester Stimme. Und als Isolde nickte, sagte sie genauso klar und deutlich:
„Ich habe das Schriftstück unterschlagen!“
Die junge Baronesse erschrak. Ihre Mutter eine Betrügerin? Nie und nimmer! Fragend und bittend schaute sie die bleiche unbekannte Frau an, die ihr gegenüber saß. Diese nickte bekräftigend auf ihre unausgesprochene Frage.
„Ja, ich bin eine Betrügerin. Ich habe dieses Schreiben im vollen Bewusstsein der möglichen Folgen zurück gehalten!“
„Warum?“, konnte Isolde nur noch schwach hervorbringen.
„Um uns zu retten!“, antwortete die Baronin klar und deutlich. „Was hätte ich denn tun sollen? Auf die Güte des Fürsten vertrauen? Er hatte mich schon einmal enttäuscht!“
Die Baronin schwieg einige Augenblicke lang und ihre Mundwinkel zuckten, als müsste sie weinen.
Dann fasste sie sich wieder und fuhr fort: „Und was heißt ‚angemessen sorgen‘? Sollten wir gewissermaßen als Bettler in seinem Haushalt leben? Nie und
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