Mir verspricht dein Name Liebe
trinken. Dann presste sie ihn sanft auf seinen Schreibtischstuhl und fragte besorgt:
„Was ist, mein Großer? Erzähle es mir!“
Aber er schüttelte nur den Kopf und reichte ihr den Brief, den sie schnell durchlas. Ganz verstand sie ihn nicht, aber das Wesentliche eben doch: ihr armer Tristan war von einem herzlosen Weib verlassen worden!
Sie versuchte ihn zu trösten, aber er hörte nicht zu und bat sie schließlich: „Bitte lasst mich allein, ich muss es selbst verkraften können, ihr könnt mir im Augenblick nicht helfen.“
Die Mutter zog sich mit dem kleinen Bruder zurück. Wenigstens war der irre Blick aus den Augen ihres Ältesten verschwunden. Jetzt sah er zwar noch immer aus wie ein waidwundes Tier, aber die Zeit würde auch seine Wunden heilen. So wie sie es mit den Ihren getan hatte.
Im Wohnzimmer fragte sie dann Damian aus über das, was er von der Beziehung wusste. Nach seiner Schilderung schätzte sie die Situation ein wenig anders ein als vorher. Die Kleine schien nicht herzlos zu sein, sondern eher schwach und feige.
Sie selbst hatte in ihren Klassen einige solcher Schülerinnen, die sich nicht trauten für ihr ureigenes Recht einzustehen, die viel zu früh entmutigt aufgaben. Das machte sie so wütend. Warum kämpften sie nicht für ihr Glück? Sie hatte damals für ihren Wiegand gekämpft und gegen eine intrigante Nebenbuhlerin gewonnen!
Und später hatte sie wieder gekämpft! Für ihren kranken Mann. Aber diesen Kampf hatte sie verloren. Diesen Kampf konnte kein Mensch gewinnen. Der Tod trug immer den Sieg davon.
Margarethe Bernhoff verscheuchte sofort ihre trüben Gedanken wieder. Darauf wollte sie sich nicht mehr einlassen. Sie wollte lieber überlegen, ob sie ihrem armen Sohn nicht irgendwie helfen könnte. Vielleicht sollte sie dieser Isolde von Barlinghausen einen Brief schreiben. Einen, der sich gesalzen hat! Ja, vielleicht sollte sie ihr wirklich schreiben!
Am nächsten Morgen blieb Tristan den ganzen Tag im Bett liegen und trank und aß nichts. Am Abend zwang seine Mutter ihn, etwas zu sich zu nehmen. Danach schlief er wieder ein. Auch am übernächsten Tag wollte er so weiter machen, aber seine Mutter befahl ihm, aufzustehen und in die Uni zu gehen. Er gehorchte mechanisch. Sein früherer Eifer und Schwung jedoch waren wie weg geblasen. In der Vorlesung saß er nur da und hörte nicht richtig zu. Er registrierte nicht einmal, dass sich Vanessa neben ihn setzte und auf ihn einsprach. Er antwortete geistesabwesend irgendetwas. Nach der Vorlesung wollte sie ihn ins Café schleppen, aber er verschwand einfach, ohne sich zu verabschieden. Besorgt schaute die junge Dame, die sich sonst für niemanden anderen als sich selbst interessierte, hinterher.
So ging es die nächsten Tage weiter, bis Margarethe Bernhoff Gerro anrief und ihm alles erzählte. Er wusste noch nichts von der Trennung der beiden Liebenden. Voller Sorge versprach er, in ein, zwei Tagen wieder nach Hamburg zu kommen und mit seinem Freund zu reden.
Kapitel 15
Isolde von Barlinghausen saß blass am Frühstückstisch ihrer Mutter gegenüber. Die Baronin hielt sich sehr aufrecht. Ein genauer Beobachter würde erkennen, wie schwer es ihr fiel, diese stolze Haltung zu bewahren. Sie litt mit ihrem Kind, das sich zu opfern bereit war. Auch sie hatte damals auf ihr eigenes Glück verzichtet, um der Ehre ihrer Familie Genüge zu tun. Aber sie wusste von keinem Trost, den sie ihrer geliebten Tochter zukommen lassen konnte.
Auch Isolde saß gerade da und verrichtete automatisch die Handlungen, die beim Einnehmen eines Frühstücks erwartet wurden. Alles lief so mechanisch ab. Innerlich sehnte sie sich nach Wärme und Verstehen. Sie brauchte ein lebendiges Wesen, das sie in ihrem Unglück bedingungslos annahm. Ihre Mutter war stolz und unnahbar wie immer. Sie musste zu Elise. Ihre Stute würde ihr wundes Herz verstehen.
Sobald es nicht zu unhöflich war, sich vom Tisch zu erheben, stand die junge Frau auf und murmelte etwas von Pflichten im Pferdestall. Mit Tränen in den Augen schaute ihr ihre Mutter hinterher.
Als die Baroness mit gesenktem Kopf über den Hof zu den Stallungen ging, folgten ihr mitleidige Blicke. Die Neuigkeit hatte sich in Windeseile bei den Bediensteten herum gesprochen. Ihre arme, kleine Herrin verzichtete auf ihr eigenes Liebesglück, um das Gut zu retten. So hatte es ein Zimmermädchen wiedergegeben. Und dieses Opfer würde auch das Dasein vieler sichern, die auf dem Anwesen in
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