Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
betreten hatte und dann spurlos hinter dem Vorhang verschwunden war, als er plötzlich durch die Scheibe drei Kinder sah, die sich auf der anderen Straßenseite herumdrückten.
15. Kapitel
in dem Netaxa fast unter Wert verkauft wird
Mira und ihre Freunde froren erbärmlich. Sie hatten sich – wie Rabeus fand – ein ausgezeichnetes Versteck hinter einer Hofmauer ausgesucht und beobachteten von dort aus den Antiquitätenladen auf der anderen Straßenseite. Alle waren sie wieder verwandelt. Etwas, was Mira insgeheim sehr bedauerte, denn nichts war schöner, als ein Vogel zu sein.
Nicht einmal die grimmige Kälte, die jetzt unter ihren Mantel kroch und sich überall ausbreitete, hatte ihr als Amsel etwas ausgemacht. Wie wohl und glücklich sie sich unter ihrem Gefieder gefühlt hatte! Jetzt war sie mithilfe des Zauberpulvers der Hexe Fa, das Miranda in einem Beutel bei sich führte, wieder ein Mensch. Statt Flügeln hatte sie ungelenke lange Arme, und den leichten Vogelkörper hatte sie gegen ihre normale menschliche Gestalt eingetauscht. Es war wie nach dem Schwimmen aus dem Wasser zu kommen und, nachdem man sich so schwebend und leicht gefühlt hatte, plötzlich wieder von der Schwerkraft zu Boden gedrückt zu werden.
Die Sonne ging langsam unter, und die Kinder warfen lange, dünne Schatten auf den Schnee, der vor ihnen glitzerte. Der Laden gegenüber wurde noch dunkler und farbloser. Hinter den verschmutzten Fensterscheiben standen verstaubte Tassen mit goldenen Blumenrändern, eine Porzellanpuppe mit starren Augen, die Mira an die Puppen bei Tante Lisbeth erinnerte, Glaskaraffen in allen Formen und Größen und in schwere dunkle Rahmen gefasste Ölbilder, die vor sich hinwelkende Blumensträuße zeigten. Hinten im Laden glomm Licht, und die Silhouette eines kleinen Mannes zeichnete sich vor dem erleuchteten Hintergrund ab.
Mira schlug mit den Armen, um sich ein bisschen aufzuwärmen. Als sie auf die vielen Gegenstände des Antiquitätenladens starrte, hatte sie mit einem Mal eine Idee.
»Wir sollten jetzt endlich da reingehen!«
»Bist du wahnsinnig?« Rabeus hielt sie am Arm zurück. »Ich wette, da drin sind haufenweise schwarze Zauberer.«
»Es sieht aber nicht besonders voll aus!«
»Ich bin mir sicher, dass der Antiquitätenhändler zu ihnen gehört«, gab Rabeus zu bedenken.
Mira trat vor Kälte schlotternd von einem Bein auf das andere.
»Das Risiko sollten wir eingehen«, sagte sie schließlich. »Und wir sollten ihm etwas anbieten.«
Rabeus sah sie verwirrt an. »Was denn?«
Mira lächelte geheimnisvoll und wandte sich an Miranda. »Hast du das Notizbuch dabei?«
»Du willst Netaxa rufen?«, fragte Rabeus erschrocken.
Mira nickte.
Rabeus kratzte sich am Kopf. »Aber wir sollten sie doch nur noch für besondere Aufträge einsetzen«, sagte er langsam.
»Ich habe einen besonderen Auftrag«, sagte Mira.
»Also meinetwegen kannst du sie rufen«, erklärte Miranda im Hintergrund. »Ich werde es jedenfalls nicht tun!« Sie verschränkte die Arme und sah missmutig zu Rabeus.
»Und ich glaube auch, dass es besser ist, wenn wir das bleiben lassen!«, beeilte der sich zu sagen.
»Nun kommt schon«, sagte Mira. »Sie ist doch nur ein Geistwesen!«
»Eben!« Rabeus wurde rot. »Das ist es ja!«
»Euch ist es also lieber, hier zu sitzen und zu erfrieren?«, fragte Mira.
Miranda zuckte mit den Schultern, zog dann aus ihrer Anorakjacke das goldene Notizbuch und streckte es Mira hin.
»Hier! Aber vielleicht ist Erfrieren wirklich besser!«
Mira nahm das kleine Buch in ihre klammen Finger und blätterte es in der Mitte auf. Sie staunte wieder einmal, wie fein und zierlich die Buchstaben darin gezeichnet waren.
Hoffentlich war Netaxa mit ihrem Plan einverstanden!
» Reize mich nicht! «, flüsterte sie und blies auf die Seiten.
Eine Kugel warmen Lichts schwebte plötzlich über dem Notizbuch und formte sich dann zu der kleinen goldenen Frau, die diesmal ein einfaches weiß-goldenes Kleid trug, das bis zum Boden reichte. Sie sah sich kurz in der Straße um und warf dann einen schnellen Blick in die Runde. Rabeus duckte sich, während Miranda sich bemühte, möglichst gleichgültig auszusehen.
Mira hielt das Notizbuch etwas tiefer und hoffte, dass der helle Schein des Geistwesens ihr Versteck nicht verraten würde.
»Nun?«, fragte Netaxa und sah Miranda ungeduldig an.
» Sie hat dich beschworen!«, sagte diese rasch und deutete auf Mira.
»Aha.« Netaxa drehte sich zu Mira um.
»Ich
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