Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mira und das Buch der Drachen (German Edition)

Mira und das Buch der Drachen (German Edition)

Titel: Mira und das Buch der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Ruile
Vom Netzwerk:
Mira ging um den Tisch und kniete sich neben dem Zauberer auf den kalten Boden. Sie fegte Thaddäus’ Kapuzenmantel vom Deckel und legte für einen Moment ihre Hände auf das glatt polierte dunkle Holz, bevor sie langsam, unter dem Quietschen und Ächzendes alten Scharniers, die Truhe öffnete. Aus der Kiste schlug ihr ein beißender, muffiger Geruch entgegen. Ihr Inneres lag im Dunkeln, dann – nachdem Thaddäus mit der Kerze näher gerückt war – sah Mira ein Stück gestreiften Stoff. Sie zog es vorsichtig heraus und erkannte eine alte, zerbeulte Samtkappe. Diese Kopfbedeckung legte sie neben sich auf den Boden und griff noch tiefer in die Truhe. Da waren noch weitere Kleidungsstücke. Ein Umhang, der mit einem dunklen Pelz besetzt war, und ein Hemd mit einem Kragen aus Brokat, der im Schein der Kerze golden schimmerte. Mira staunte. Was sich in dieser Truhe befand, war das, was Cyril getragen hatte, als sie ihn in der Kugel gesehen hatte. Doch gerade als sie den Umhang aus der Truhe heben wollte, fiel ihr auf, das etwas darin eingewickelt war. Sie sah zu Thaddäus, der langsam die Kerze abstellte, nickte ihm wortlos zu und legte ihm den Umhang in seine zitternden Hände. Thaddäus wickelte den schweren Stoff auf, wobei das, was sich in ihm befand, fast auf den Steinboden gefallen wäre. Doch er fing es gerade noch auf.
    Mira schluckte. Tatsächlich! Es war das Buch.
    Thaddäus lächelte Mira an und überreichte es ihr dann mit einer kleinen Verbeugung.
    Das Buch der Metamorphosen !
    »Nimm es, Mira! Es gehört jetzt dir!«
    Mira war für eine Weile sprachlos. Sie setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und legte das Buch in ihren Schoß. Es sah genauso aus wie jenes andere Buch, das sie vor langer Zeit aus dem Turm der Bibliothek gestohlen hatte und das verbrannt war. Der Samtumschlag lag weich in ihren Händen und ein einziger Buchstabe prangte auf dem Deckblatt. Ein verschnörkeltes metallenes »M«, das sich vom Samt abhob und sich merkwürdig kühl anfühlte.

    Mira schlug das Buch in der Mitte auf und sah die beiden Drachen. Den schwarzen und den weißen, ineinander verschlungen.
    Wie ein Liebespaar! , dachte sie einen Augenblick lang, wischte aber den seltsamen Gedanken beiseite. Der schwarze Drache gehörte zu den schwarzen Zauberern. Er war der Widersacher des weißen Drachen und sicher nicht dessen Freund. Als sie aufsah, merkte sie, dass Thaddäus sie beobachtete. EinLächeln zog über sein zerfurchtes Gesicht. »Du weißt, was du zu tun hast!«, sagte er plötzlich leise.
    Mira klappte das Buch zu und stand langsam auf. Es war eiskalt auf dem Boden geworden. »Dann sollten wir gehen«, flüsterte sie.
    Thaddäus sah erst Mira an und dann an seiner schmutzigen Kleidung hinunter. Er fuhr sich durch seine verstrubbelten Haare und räusperte sich. » Du musst gehen. Ich werde mich hier verabschieden.«
    »Verabschieden?« Mira sah Thaddäus entsetzt an. »Sie kommen nicht mit?«
    Thaddäus schüttelte den Kopf. »Das ist das Ende meines Weges. Ich sollte das Buch finden. Das habe ich getan. Den Rest, fürchte ich, musst du selbst erledigen!«
    »Aber ich brauche Sie doch!«, rief Mira verzweifelt.
    Thaddäus fuhr sich mit dem Ärmel über sein Gesicht. »Ich wäre dir von keinem großen Nutzen, Mira! Jetzt habe ich Glück und mein Geist ist nicht vernebelt. Aber wer weiß? In fünf Minuten habe ich vielleicht schon alles vergessen. Und dann? Was willst du dann mit mir anfangen? Ich wäre dir nur ein Klotz am Bein.«
    Thaddäus sah auf die heruntergebrannte Kerze. Die Flamme flackerte noch ein wenig. »Ich bin müde geworden. Sehr müde.«
    Mira spürte, wie die Tränen in ihr aufstiegen. Thaddäus sah klein und verletzlich aus. Ein steinalter Zauberer in einer viel zu großen Lederjacke. »Und wohin werden Sie gehen?«
    Thaddäus legte seinen Finger in das Feuer. Eine schmale Flamme glitt um seine Hand. »Ich brauche das Wasser.« Seine Augen bekamen den gleichen abwesenden Ausdruck, den Mira schon gesehen hatte, als er von seinem Bruder sprach.»Weißt du, wie es unter Wasser ist? Alles ist leicht und schwerelos. Wir werden schwimmen und Gedanken austauschen. Den ganzen Tag lang. Nur noch die Wellen werden mich bewegen.«
    »Sie werden ein Fisch?«, fragte Mira leise
    Thaddäus nickte. »Oh ja, das wird meine letzte Verwandlung sein!«
    Mira schwieg. Sie sah Thaddäus an und presste das Buch gegen ihren Körper. Ihr war schwindelig.
    Thaddäus lächelte sie an. »Geh zu ihr! Unbemerkt! Beschwöre

Weitere Kostenlose Bücher