Mirad 02 - Der König im König
mich überhaupt begrüßt hat?«
Wieder kicherte sie. »Ich bin sein einziges Kind, Twikus. Er wird stöhnen, es aber mit susanischem Opfermut hinnehmen.« Ihre schimmernden Karneole musterten ihn einmal mehr. »Sag mal, Twikus, ist mein rotes Haar das Einzige, was du und dein Bruder in euren Träumen von mir gesehen habt?«
Er spürte wie ihm die Schamröte ins Gesicht stieg, was im Mondlicht glücklicherweise kaum zu bemerken war. Obwohl er es nicht wollte, wanderte sein Blick einmal mehr über ihren grazilen Körper. Für einen Moment überkamen ihn Zweifel, weil er an Nishigo das luftige kurze Kleid vermisste, das die »Elvin« aus seinen Träumen mit der gleichen Selbstverständlichkeit getragen hatte wie eine schöne Blume ihre Blütenblätter. Er schüttelte den Kopf.
»Meine Träume sind mit der Wirklichkeit verwobene Phantasien. Wichtig ist, was man mit dem Herzen sieht. Jetzt, wo ich dir gegenüberstehe, ist mir klar, dass ich mich all die Jahre geirrt habe. Das Mädchen mit dem kupferfarbenen Haar bist… du gewesen, Nishigo, und niemand sonst.«
Sie sah ihn lange an, bis sie überraschend leichtherzig erwiderte: »Ehrlich gesagt, finde ich das komisch. Warum solltest du von mir geträumt haben?«
Er schluckte. Eine Antwort lag ihm auf der Zunge. Weil du das Schönste bist, was ich je gesehen habe und jemals in meinem Leben sehen werde. Weil du der kupferfarbene Faden bist, der sich durch mein ganzes Leben zieht. Stattdessen gab er sich grüblerisch: »Ich habe schon oft von Dingen geträumt, die in der Zukunft liegen. Meine Meisterin sagt, das sei im Wesen der Sirilim begründet. In ihnen ist das Hier und Überall eingefaltet, aber auch das Gestern, Heute und Morgen.«
Wieder schien sie über seine Worte gründlich nachzudenken, ehe sie fragte: »Träumst du des Öfteren von Prinzessinnen, Twikus?«
Er räusperte sich. »Eher selten.«
»Aber, was siehst du dann im Schlaf? Sind es gewöhnliche Dinge wie das, was du morgen essen oder anziehen wirst?«
Ihre Frage überraschte Twikus. »Nein…«, begann er zögernd. »Ich würde sagen, es handelt sich um Personen oder Ereignisse, die meinem Leben eine…« Sein Mund klappte zu. Er sah Nishigo erschrocken an.
»Eine…?«, wiederholte sie mit vorgeschobenem Kinn.
Twikus schluckte einen dicken Kloß hinunter und erklärte mit heiserer Stimme: »Träume dieser Art handeln nur von Dingen oder Personen, die meinem Leben eine neue Richtung geben.«
17
DAS BLUTRÜNSTIGE GESPENST
Die reichsten Bürger Silmaos hatten die besten Abwasserkanäle. Ihre Röhren waren groß und wurden regelmäßig gereinigt, damit der Gestank von Kot, Urin und faulendem Kehricht nicht in die Villen drang. Eine wahre Prunkstraße für Fäkalien verlief unter dem Herrschersitz des Mazars entlang. Um dunkles Gesindel fern zu halten, waren an der Grenze zum Palastbezirk schwere Eisengitter eingelassen. Darüber befanden sich große, mit Rosten abgedeckte Schächte, die von der Palastwache mehrmals täglich kontrolliert wurden. Nur die höfischen Exkremente durften ungehindert hinausgelangen, das Eindringen der Kanalratten wurde notgedrungen geduldet. Eine besonders große übersah man hingegen in dieser Nacht, weil sie geschickter als jedes Nagetier durch die Absperrung brach und unbemerkt in die Tunnel unter dem Palast schlüpfte.
Obwohl der Zoforoth mit seiner Haut sehen, hören, riechen und sogar kleinste Temperaturunterschiede wahrnehmen konnte, brauchte er nichts von alledem, um sich in der Dunkelheit zurechtzufinden. Jede einzelne seiner Schuppen besaß noch eine weitere Eigenschaft. Wenn er sie bewegte, erzeugten sie ein leises Klicken, das von den Wänden des Kanals zu ihnen zurückgeworfen wurde. Hinzu kam das Plätschern des Abwassers. Aus all diesen Geräuschen entstand ein Muster, das ihm mehr über seine Umgebung verriet, als gewöhnliche Augen und Ohren es jemals tun könnten.
Obwohl er das Heer der Palastwachen nicht fürchtete, ermahnte sich Kaguan dennoch zur Vorsicht. Die Söhne der zwei Völker und dieser alte Waffenschmied hatten ihm seine Grenzen aufgezeigt. Zuerst war seine linke Nebenhand so gut wie unbrauchbar geworden und dann hatte Kubuku ihm diese auch noch abgeschlagen. Nur indem Kaguan seinen blutenden Stumpf in die glühenden Kohlen des Schmiedefeuers gedrückt hatte, konnte er die Wunde verschließen. Danach hatte er Rache genommen.
Leider waren ihm die Söhne der zwei Völker wieder einmal entwischt.
Das anhaltende Brennen
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