Mirad 02 - Der König im König
und Ziehen im Arm hatte auch etwas Gutes, tröstete sich der Zoforoth. Es hielt seine Sinne wach. Er würde sich in dieser Nacht zurückholen, was ihm entrissen worden war. Das Schwert Schmerz gehörte weder den Söhnen der zwei Völker noch dem Mazar von Susan, sondern einzig und allein dem Herrn in den Eisigen Höhen. Magos würde sich dankbar erweisen, wenn er die Kristallklinge von seinem treuen Diener zurückbekam. Er war ein Gott. Dem letzten seiner Zoforoths eine neue Hand zu schenken würde ihn ein Lächeln kosten.
Vor ein paar Stunden hatte Kaguan zwei Leibgardisten belauscht. Die beiden standen plaudernd im Schatten eines Baumes und merkten nicht einmal, dass dessen knorrige Rinde zum Teil aus Zoforothhaut bestand. Einer der Männer gehörte der Kohorte an, die am Vormittag »das blutrünstige Gespenst aus der Schmiede der Bartarin vertrieben« hatte. Der Aufschneider hieß Tashido. Hinter vorgehaltener Hand berichtete er seinem Kameraden von dem schwarzen Schwert, das jetzt in der Schatzkammer des Mazars liege und den Kronjuwelen Gesellschaft leiste.
Kaguan konnte durch einen eisernen Rost über seinem Kopf den Mond sehen und bog nach links ab. Der nächste Schacht endete im Dunkel. Der Geruch von Seifenlauge sank zu ihm herab. Wenn ihn sein Orientierungssinn nicht trog – und das tat er so gut wie nie –, dann musste jetzt über ihm der älteste Teil des Palastes liegen, starke Mauern, hinter denen die Kronjuwelen aufbewahrt wurden.
Wie ein riesiges Insekt kletterte der Zoforoth an der Innenwand des Schachtes empor. Die darin eingelassenen Steighilfen brauchte er nicht. Der Rost war durch ein Schloss gesichert. Kaguan veränderte sein Äußeres. Danach ließ er einen Hilferuf vernehmen. Wenig später näherten sich Schritte.
»Ich glaube, es kam aus der Waschküche«, rief jemand.
»Dann sieh nach. Ich werfe derweil einen Blick in die Kammer nebenan«, antwortete ein anderer.
Ein Mann erschien über dem Gitter. Es war ein Posten der Palastwache. Er hielt eine Laterne in der Hand und leuchtete in den Schacht hinein. Plötzlich wurden seine Augen groß.
»Tashido? Bist du das?«
»Nein. Ich bin nur eine Kanalratte«, antwortete täuschend echt eine unwirsche Stimme aus dem Schacht.
»Wie kommst du in die Kanalisation, Kamerad?«
»Na wie schon? Bin zur Kontrolle runtergestiegen. Hat ein bisschen länger gedauert, weil ich dachte, etwas gehört zu haben. Du weißt schon…«
»Das blutrünstige Gespenst aus der Schmiede der Bartarin?«
»Genau. Als ich wieder hochwollte, war der Rost abgeschlossen. Diese Einfaltspinsel haben mich einfach da unten vergessen. So, und jetzt lass mich endlich hier raus. Der Gestank bringt mich noch um.«
Der Posten kicherte leise in seinen Bart hinein. Während er mit einem Schlüssel herumhantierte, sagte er: »Wenn ich das den anderen erzähle, werden sie sich ausschütten vor Lachen. Du bist doch heute Morgen auch in der Waffenschmiede gewesen. Ich war der Meinung, ihr hättet danach für den Rest des Tages freibekommen.«
»Anscheinend hat man euch nicht alles gesagt«, erwiderte die Stimme aus dem Schacht.
Der Posten hatte endlich das Schloss geöffnet und ließ die schwere Kette durch die Öse rasseln. Während er den Rost nach oben zog, antwortete er: »Keine Ahnung, wovon du sprichst.«
Plötzlich schwang sich eine Gestalt aus dem Schacht und fiel über den Mann her. Er wollte um Hilfe rufen, aber mächtige Pranken schnürten ihm die Kehle zu. Das Letzte, was er zu hören bekam, war eine eiskalte Stimme.
»Du wirst es auch nie erfahren.«
Der um sein Leben Betrogene lag am Grund des Schachtes. Ein anderer trug jetzt sein Schuhwerk und den Helm. Kaguan verhüllte den Rest seines Schuppenkörpers mit dem roten Umhang des Toten. Erhobenen Hauptes verließ er die Waschküche. Auf dem Gang draußen begegnete er einem zweiten Posten.
»Und? Was gefunden, Kundo?«, fragte der Mann, ehe er den vermeintlichen Kameraden ganz erreicht hatte.
»Nichts, was der Mühe wert war«, entgegnete der Zoforoth mit verstellter Stimme.
»Alles in Ordnung mit dir?«
»Klar. Was soll denn nicht in Ordnung sein?«
»Du stinkst, als hättest du in der Gosse gebadet.«
»Ich bin in den Abflussschacht gestiegen, weil die Geräusche von da unten kamen.«
»Darf ich raten? Es waren die verdammten Kanalratten.«
»Du sagst es. Hab wohl umsonst die Pferde scheu gemacht.«
»So was kommt vor. Dann lass uns endlich den Kontrollgang fortsetzen. Ich brauche frische Luft.
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