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Mirad 02 - Der König im König

Titel: Mirad 02 - Der König im König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bemerkt er uns vielleicht nicht.
    Obwohl Twikus die Mahnung ernst nahm, spürte er einen unbändigen Drang, trotzdem nach unten zu sehen.
    Tu’s nicht!, warnte ihn sein Bruder abermals.
    Twikus riss sich von der dunklen Erscheinung los. Dessen ungeachtet spürte er mit wachsendem Unbehagen die kalte Nähe des Kristallschwertes. Seine erste Begegnung mit dieser unheilvollen Waffe kam ihm in den Sinn. Er hatte die Macht der Alten Gabe mit Zorn gegen Wikander schleudern wollen, weil Tusan von dessen Pfeil niedergestreckt worden war. Aber Schmerz schlug zurück. Es hatte Twikus einen Eindruck davon vermittelt, wie es sich anfühlt, wenn man von einem riesigen Eiszapfen gepfählt wird. Seitdem hasste er die schwarze Kristallklinge und jeden, der sie trug. Und deshalb bröckelte seine Selbstbeherrschung umso stärker, je näher er dem finsteren Gewaber auf der Straße kam.
    Als er sich genau über dem Zoforoth befand, brach sein innerer Widerstand in sich zusammen und er blickte nach unten.
    Twikus wusste selbst nicht, was er sich davon versprochen hatte, aber was er sah, erschreckte ihn. Für die Dauer eines Wimpernschlages verschwand das finstere Gewaber. Darunter kam ein riesiges rotes Pferd zum Vorschein und auf diesem saß die in eine dunkle flatternde Kutte gehüllte Gestalt Kaguans. Seine Kapuze war ihm vom Kopf gerutscht, weil er diesen weit in den Nacken gelegt hatte. Twikus sah auf den glatten Schuppen das Spiegelbild des blauen Himmels. Und dann erblickte er darin einen huschenden Schemen…
    Bist du verrückt!? Jetzt hat er uns gesehen!, gellte Ergils Stimme in seinem Geist.
    Unsinn. Er kann unmöglich ständig alle Falten der Welt beobachten.
    Vielleicht braucht er das ja gar nicht. Es genügt wenn er unsere Nähe spürt, so wie wir sein verfluchtes Schwert fühlen können.
    Selbst wenn er uns bemerkt hat, wäre dies kein Nachteil. Er denkt, wir sind dicht hinter ihm und wird Hals über Kopf fliehen. Das macht ihn unvorsichtig. So wird er umso leichter in unsere Falle gehen.
    Ich hoffe nur, du behältst Recht.
    Mach dir nicht gleich in die Hosen! Es wird schon schief gehen. – Schau mal, was da vor uns auftaucht! Der Hinweis bezog sich auf einen Einschnitt im Gelände, dessen Tiefe rasch zunahm. Die Handelsroute lief am Grund der Senke entlang. Zu beiden Seiten lagen steil abfallende Geröllhänge.
    Das muss das Nadelöhr am Ende des Tals sein, von dem Dormund gesprochen hat. Ein ideales Plätzchen für unseren Hinterhalt, findest du nicht? Twikus’ Gedankenstimme hörte sich irgendwie überdreht an, fast so, als habe er den Vorfall mit dem Zoforoth bereits vergessen.
    Ergils Antwort klang weniger euphorisch. Zunächst heißt es, heil dort anzukommen. Achte auf den Kreis der Macht, Twikus! Popi könnte es uns krumm nehmen, wenn wir eines seiner Beine zurückließen. Wir müssen alles umgreifen.
    Nur keine Bange, Bruderherz. Bist du so weit?
    Schon längst.
    Die Brüder bündelten ihre Kraft mit jener von Nisrah und Múria und legten dieses unsichtbare Tau in sicherem Abstand um die Gefährten. Dann stießen sie mit der spitzen Nadel ihres Geistes durch das Faltentuch Mirads hindurch, geradewegs auf den anvisierten Punkt im Hain der Pyramiden zu.
     
     
    Popi blickte verwirrt auf den großen Schneehaufen unter sich. Die fünf Krodibos standen mindestens zwölf Fuß über dem staubigen Talboden.
    »Wir erklären dir das später«, sagte Twikus müde. Der Sprung hatte ihn viel Kraft gekostet. Wie zum Trotz löste er seinen Jagdbogen vom Sattel und zog einen Pfeil aus dem Köcher.
    »Na wunderbar«, brummte der Waffenmeister. »Wenn Kaguan diesen Schneeberg sieht, wird er bestimmt drum herumreiten und sich nichts weiter dabei denken.«
    »Glaubt Ihr wirklich?«, fragte der Knappe.
    Falgon bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick.
    »Es ist ziemlich heiß hier. Er wird schnell schmelzen«, gab Twikus zu bedenken.
    Dormund schüttelte den Kopf. »Man merkt, dass du nicht in Soodland aufgewachsen bist, sonst würdest du das Wesen des Schnees besser kennen. Die weiße Farbe wirft das Sonnenlicht zurück. So kann sich die Kälte im Innern des Hügels noch eine ganze Weile halten und er wird nur an der Oberfläche etwas matschig.«
    »Ein feuchter Fleck am Boden dürfte schon ausreichen, um den Argwohn des Zoforoths zu wecken«, fügte der Waffenmeister hinzu.
    Twikus war enttäuscht. Nichts konnte er richtig machen. Nun hatten er und Ergil sich verausgabt und einen so prächtigen Sprung durch die Falten der Welt

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