Mirad 02 - Der König im König
Mann in der Erscheinung die Dame Múria erkennen konnte, hatte diese ihm schon einen feinen Staub aus betäubenden Kräutern ins Gesicht gestreut. Er hob weder das Schwert noch stieß er mit dem Speer zu, sondern blickte sie nur entgeistert an. Vermutlich fragte er sich, wie ein Mensch aus Fleisch und Blut so einfach aus dem Nichts erscheinen konnte. Aber dieser Gedanke dürfte im Hirn des Posten nicht viel Platz beansprucht haben, denn er sackte wie sein Kamerad ziemlich schnell zu Boden.
Múria winkte ihre Gefährten herbei.
Ergil stemmte sich neben seinen Freunden aus dem Laub und lief mit ihnen zum Gehege. Allein die damit verbundene Anstrengung machte ihm bewusst, dass er noch lange nicht wieder bei Kräften war. Seine Beine besaßen die Festigkeit halb verfaulter Gurken. Als er sich nach seinem Sattel bückte, geriet er ins Schwanken. Sogleich war die Hand seines Knappen zur Stelle, um ihn zu stützen.
»Wir haben doch abgesprochen, dass Dormund und ich uns darum kümmern«, tadelte ihn Popi sanft.
»Ich komme mir so unnütz vor«, jammerte Ergil.
»Unnütz?«, wiederholte der Schmied belustigt und schüttelte den Kopf. »Du bist das Herz unserer Gemeinschaft, Ergil. Ruh dich aus. Der Ritt wird noch anstrengend genug.«
Während Dormund und Popi sich daranmachten, die Krodibos zu satteln und das Gepäck aufzuladen, interessierte sich Falgon vorrangig für Múria.
»War dieser theatralische Auftritt wirklich nötig, Inimai? Der Bursche hätte dich töten können«, maulte er.
Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, küsste ihn auf die Wange und flüsterte, nicht besonders leise, in sein Ohr: »In manchen Dingen sind Männer sehr berechenbar, mein Lieber. Das macht es einer Frau so leicht, ihnen den Kopf zu verdrehen.«
Der Waffenmeister bedachte die betäubten Wächter mit einem düsteren Blick. »Ich bin froh, dich nicht zur Feindin zu haben.«
Sie lachte leise. »Du bist derjenige, dem mein Herz gehört. Ich hoffe doch sehr, das macht dich noch viel glücklicher.«
Falgon wurde sich des in der Nähe stehenden Beobachters bewusst und lief rot an. »Gib Acht, dass dir nicht gleich die Augen aus dem Kopf fallen, Junge«, brummte er.
Ergil blinzelte. »Ich, äh, warte nur, dass wir aufbrechen können.«
Mit vereinten Kräften wurden die restlichen Krodibos gesattelt und beladen. Falgon rief allen noch einmal ins Gedächtnis, was schon zuvor in der Höhle ausgiebig besprochen worden war: Weil die Suchtrupps die nähere Umgebung durchkämmten, sei nicht kopflose Flucht das Gebot der Stunde, sondern das möglichst geräuschlose Verschmelzen mit dem Wald. Die ersten Meilen würden die schwersten sein. Sobald ihre Kundschafterin Schekira zu ihnen gestoßen war, konnten sie den Verfolgern leichter aus dem Wege gehen.
Fürs Erste erübrigten sich damit weitere Wortwechsel. Schweigend stieg man in die Sättel und lenkte die Tiere nach Norden. Graf Waltran würde sie wohl eher im Osten suchen, denn er schien ihre Reiseroute zu kennen – andernfalls hätte er ihnen wohl kaum ausgerechnet hier aufgelauert.
Ergil fragte sich allerdings, wem die Pandorier ihre genauen Kenntnisse verdankten. Gewiss nicht Múrias Botenfalken. Zwar hatte sie mithilfe der Tiere sämtliche Königshöfe des Herzlandes aufgefordert, den Zoforoth Kaguan aufzuhalten, weil dieser in Magos’ Diensten stehe und eine Bedrohung für ganz Mirad sei, aber über die geheime Mission der soodländischen Könige hatten die geflügelten Herolde nichts mitgeteilt. Und schon gar nichts über das Kristallschwert Schmerz.
Die Gefährten hatten erst wenige Meilen zurückgelegt, als der Schall eines Hornes durch den Wald hallte. Falgon erkannte in der Tonfolge ein pandorisches Heeressignal.
»Sie blasen zum Sammeln. Ich fürchte, das bedeutet nichts Gutes für uns. Wir sollten mit dem Herumgeschleiche aufhören und machen, dass wir hier wegkommen.«
Die Krodibos schienen auf diesen Moment nur gewartet zu haben. Geradezu übermütig preschten sie über den laubbedeckten Boden nach Norden.
Kurz darauf schwirrte ein Falke herbei und landete auf Schneewolkes verzweigtem Geweih.
»Kira!«, flüsterte Ergil erfreut. »Ist dir die Überraschung gelungen?«
»O ja, mein Retter! Der Herr Graf hat ziemlich dumm aus der Wäsche geguckt, als sein stämmiger Liebling in einem winzigen Erdloch verschwunden war. Jedenfalls habe ich ihn das glauben lassen. Vermutlich gräbt er jetzt mit seinem Schwert nach dem Grottenhund.«
»Ich weiß, welche
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