Mirad 02 - Der König im König
ursprünglich weiter südlich erwartet.«
»Wie hätte ich wissen können, dass Ihr und Eure Vogelfreien uns entgegenkommt?«
»Hat die Herrin der Seeigelwarte sich jemals nicht auf uns verlassen können?«
»An Eurer Loyalität besteht nicht der geringste Zweifel, mein treuer Freund. Deshalb wisst Ihr auch mehr von unserer Mission als die meisten anderen, die von mir Nachrichten erhielten. Trotzdem bin ich überrascht. Als ich Euch meinen Botenfalken sandte, erwähnte ich zwar unser Reiseziel, aber mir war nicht an einem Geleitschutz gelegen.«
Ergil bemerkte, wie sich die feinen Züge des Kriegers verfinsterten.
»Ich habe mir Sorgen um Euch und Eure Begleiter gemacht, Herrin.«
»Gibt es dafür einen bestimmten Grund?«
»Ja. Um das zu erklären, muss ich vorausschicken, dass der harte Winter uns weit nach Osten gedrängt hatte, wo das Klima erträglicher war. Wir befanden uns in der Nähe von Ostgard, als Euer Botenfalke uns erreichte. Ihr hattet uns gebeten, den Zoforoth auf seinem Weg nach Silmao aufzuhalten. Ich habe, abgesehen von den Frauen und Kindern, ungefähr einhundertzwanzig Männer. Nicht genug, um die Hauptstadt lückenlos zu überwachen. Außerdem jagen König Godebars Häscher uns Vogelfreie ohne Unterlass. Wer von uns festgenommen wird, ist wenig später tot. Deshalb haben wir uns auf den Weg zum einzigen Ort auf Eurer West-Ost-Route gemacht, an dem wir den Zoforoth nicht verfehlen konnten.«
»Das Nadelöhr am Ausgang des Hains der Pyramiden.«
Tantabor nickte. »Richtig. Wie wir feststellen mussten, trieben sich im Wald jedoch schon andere herum.« Er deutete über die Schulter zu den Gefangenen, die gerade zu handlichen Paketen zusammengeschnürt wurden. »Die Pandorier haben uns nicht bemerkt, aber wir spannten ein Netz von Spähern im Wald aus, um uns vor unliebsamen Überraschungen zu schützen. So seid auch Ihr uns auf Eurer Flucht aufgefallen, Herrin. Wir legten hier diesen Hinterhalt, um Euch der Hand dieser Barbaren zu entreißen.«
»Die vier sind nicht die Einzigen.«
Tantabor schmunzelte. »Ich weiß. Meine Späher benutzen speziell markierte Pfeile, mit denen sich in einem Wald wie diesem Nachrichten sehr schnell verbreiten lassen. Die Pandorier werden bald eine Meile südwestlich von hier eine Überraschung erleben.«
Múria ließ sich vom Lächeln Tantabors anstecken. »Für Graf Waltran wäre das dann schon die zweite an diesem Tag.«
Ergil versuchte sich vorzustellen, was die fast beiläufig klingende Bemerkung des Kriegers bedeutete. »Wollt Ihr etwa unter den Pandoriern ein Blutbad anrichten, Tantabor?«
»Dem Klang Eurer Stimme nach zu urteilen, würdet Ihr Euren Peinigern lieber Gnade erweisen, Majestät.«
»Ich bin der Sohn eines Königs, der für seine Friedfertigkeit bekannt war.«
»Dasselbe hat man vom alten Gode auch gesagt. Trotzdem ließ sein Sprössling meinen Vater in Ostgard öffentlich hinrichten. Ohne Grund. Aber Ihr sollt keinen falschen Eindruck von mir bekommen, Majestät. Ich bin zwar ein Rebell, aber kein Schlächter wie der jetzige König von Ostrich. Wenn die Pandorier sich ergeben, dann nehmen wir ihnen nur die Waffen und Pferde weg. Das wird sie davon abhalten, Euch und auch uns weiter zu verfolgen.«
»Noch einmal zurück zum Zoforoth«, lenkte Múria das Gespräch wieder in die ursprünglichen Bahnen. »Habt Ihr irgendeine Spur von ihm gefunden?«
»Wir sind ihm am Tor des Pyramidenhains begegnet, während die Pandorier noch durch den Wald irrten.«
»Was? Sagt nur, ihr habt Kaguan getötet oder gefangen genommen?«
Das Gesicht des Kriegers verdüsterte sich. »Leider nein, Herrin. Er ritt auf einem Drachenross, ein mächtiges Tier – allerdings war es verletzt und hinkte stark. Wir hatten den Chamäleonen schon gestellt, als er plötzlich einen grauenvollen Gesang anstimmte. Daraufhin kam lebendiges Feuer aus dem Erdboden und raffte fünf meiner Männer dahin. Zu allem Unglück ist uns dann der Zoforoth auch noch entkommen.«
Múria atmete hörbar aus. Ihre Miene verriet Mitgefühl. »Ich kann Euch gut verstehen, Tantabor. Wir haben mit Kaguan leider Ähnliches erlebt und dabei fast die königlichen Zwillinge verloren. Es tut mir unendlich Leid um Eure Gefährten, teurer Freund. Vielleicht ist es Euch und Euren Männern ein kleiner Trost, dass ihr nicht umsonst die Mühsale und diesen schweren Verlust erlitten habt. Wären wir ein zweites Mal in die Hand der Pandorier gefallen, gäbe es kaum noch Hoffnung für Mirad. Doch jetzt
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