Mirad 02 - Der König im König
zusammengebissenen Zähnen.
Leibhaftig wirkte der Zoforoth um einiges größer, als die Sirilimzwillinge ihn von ihren Erkundungen in Erinnerung hatten. Kaguans Schuppenhaut schimmerte schwarz wie Blutstein. Beide Haupthände waren auf Brusthöhe zusammengelegt. Sie hielten das Heft des Kristallschwertes, dessen Spitze weit über den gesichtslosen Kopf des Zoforoths hinausragte. Er hatte sein Ziel also erreicht.
Schmerz war neu geschmiedet worden!
Für die Dauer eines Wimpernschlages war Twikus wie gelähmt. Sein Scheitern erschien ihm unabwendbar. Was konnte er gegen diese Kreatur der Finsternis noch ausrichten? Doch plötzlich machte er eine erstaunliche Entdeckung.
Kaguans linker Nebenarm war nur noch ein blutiger Stumpf, der knapp oberhalb des Ellbogens endete. Also war Magos’ Scherge doch nicht unbesiegbar.
Wilde Entschlossenheit breitete sich wie eine Sturmflut in Twikus aus und er ließ den Pfeil von der Bogensehne schnellen. In rascher Folge schickte er den zweiten und dritten hinterher.
Doch sein Gegner hatte sich längst wieder in die Dunkelheit zurückgezogen.
»Was war das eben?«, stieß Falgon hervor.
Twikus’ Antwort bestand nur in einem Flüstern. »Der Zoforoth. Er stand genau zwischen euch.«
»Was?« Waffenmeister und Schmied rückten rasch mehrere Schritte von der Tür weg.
»Er ist wieder in der Schmiede verschwunden. Und er ist verletzt.« Twikus blickte zum Himmel und streckte den Arm aus.
Ein farbiger Federblitz schoss herab, breitete seine Schwingen aus, landete auf der ausgestreckten Hand des Königs und erkundigte sich: »Was gibt es?«
»Eben stand Kaguan vor mir. Ist er irgendwo anders hinausgeschlüpft?«
»Nein.«
»Dann begib dich wieder auf deinen Posten. Vergiss nicht, er kann sich praktisch unsichtbar machen. Sag mir Bescheid, sobald du ihn entdeckst.«
»Ist gut. Pass auf dich auf, mein Retter.« Der Eisvogel schwirrte wieder davon.
Kaum zwei Herzschläge später erklang in der Schmiede ein schauderhafter vibrierender Ton, der den drei Recken das Blut in den Adern gerinnen ließ.
»Beim Herrn der himmlischen Lichter, er stimmt seinen Gesang an!«, flüsterte Falgon.
Twikus konnte sehen, wie die Sandkörnchen in den Fugen der Bodenplatten des Innenhofes zu tanzen begannen. »Wir müssen da rein, Oheim. Sofort!«, raunte er.
Schmied und Waffenmeister nickten einander zu, holten tief Luft und stürmten durch die Tür. Der König folgte ihnen mit gespanntem Bogen. Das Erste, was er in der Schmiede wahrnahm, war der Geruch verbrannten Fleisches. Ehe sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, sandte er zwei weitere Pfeile in den offenen Dachstuhl hinauf, von wo die misstönenden Laute kamen. Beim nächsten Schuss vernahm er ein metallisches Klong!
Der Gesang verstummte.
»Hast du ihn getroffen?«, raunte Dormund.
Twikus deutete zu einem kupfernen Abzug, der sich zum Dach hin verjüngte, und flüsterte: »Nein. Der Zoforoth hängt hinter der Esse und…« Er verstummte, als er den starren Blick seines Ziehvaters bemerkte, der nicht nach oben, sondern auf den Boden gerichtet war. Inzwischen hatten sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt.
Der Fußboden aus gebrannten Ziegelsteinen schimmerte feucht. Überall lagen die Körper toter Männer.
Twikus sah Halbwüchsige, kräftige Burschen und bei einem noch glühenden Kohlenbecken einen Greis. Neben dem Alten lagen zwei weitere Leichen: ein geflügeltes Wesen mit einem menschlichen Oberkörper und, halb von dem Gapa verdeckt, ein kräftiger Mann mittleren Alters. Viele Gefallene hielten noch Schwerter, Äxte oder andere Waffen in den Händen. Zweifellos hatten sie erbittert gekämpft. Trotzdem waren sie niedergemäht worden wie Ähren im Gewittersturm.
Dormund durchschaute zuerst die boshafte Absicht hinter dem Blutbad. Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Das Ungeheuer hat das Geschlecht der Bartarin ausgelöscht, um das Geheimnis des Schwertes einzig und allein Magos zu sichern.«
Obwohl vom Hof immer noch Schreie und aufgeregte Stimmen hereindrangen, hörte Twikus im Gebälk über sich plötzlich ein Knacken. Sein Kopf fuhr nach oben. Die grauenvolle Entdeckung hatte alle für einen langen Moment abgelenkt. Er spürte, dass Kaguan das Versteck hinter dem Abzug verlassen hatte, aber er konnte ihn nirgends sehen. Ziellos irrte sein Blick durch die riesige Werkstatt.
Benutze die Alte Gabe!, erklang unvermittelt Ergils Stimme in seinem Kopf.
Was…?
Manchmal ist gerade das, was man nicht sieht, der
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