Mirad 02 - Der König im König
beste Wegweiser.
Jetzt verstand Twikus. Er verlagerte seine Konzentration auf den inneren Sinn, tastete sich am Faltenwurf der Welt entlang, spürte dabei eine zunehmende Kälte, die sich rasch zu einem fast unerträglichen Ziehen steigerte. Schmerzlich wurde ihm bewusst, wie sehr ihn der Sprung nach Silmao erschöpft hatte. Mit letzter Willenskraft folgte er der eisigen Spur an der Decke entlang bis zum Ausgang. Dort, direkt über der Tür, hing eine dunkle, an den Rändern wie Nebelschwaden wallende Wolke, die ihm das Gefühl vermittelte, geradewegs ins Herz des Bösen zu blicken.
Ohne Zögern schoss er seinen Pfeil in das Zentrum des finsteren Gewabers hinein und zog keuchend seine geistigen Fühler zurück.
Von der Mauer über dem Türsturz fiel eine Gestalt herab. Twikus erschauerte, als er im gleißenden Rechteck des Ausgangs den Schattenriss des Zoforoths sah: den glatten Schädel und die sechs Gliedmaßen, von denen eine nur noch zur Hälfte vorhanden war. An den helleren Rändern der Silhouette glaubte er für die Dauer eines Wimpernschlages die Fugen und die raue Oberfläche der Steinmauer zu erkennen, vor der Kaguan sich eben noch versteckt hatte. Gleich darauf ging eine Welle über seine Schuppenhaut hinweg und sie nahm das Aussehen der gegenüberliegenden Holzschuppen an.
Kaguan lachte und rief mit eiskalter Stimme: »Glaubt ihr wirklich, ihr könnt mich aufhalten? Bleibt mir lieber fern, Söhne der zwei Völker, wenn euch euer Leben lieb ist.«
Twikus schoss einen weiteren Pfeil ab, den der Chamäleone mühelos mit dem schwarzen Schwert abwehrte. Er lachte abermals, drehte sich um und huschte zur Tür hinaus.
»Ihm nach!«, rief Falgon.
Sofort liefen die drei zur Tür. Als sie in den Hof hinaussprangen, deckten sie sich gegenseitig. Aber von dem Zoforoth fehlte jede Spur.
Dormund fluchte zwischen zusammengebissenen Zähnen: »Verdammt! Wie soll man auf einen Gegner einschlagen, wenn er unsichtbar ist?«
Twikus stellte sich innerlich darauf ein, seinen Sirilimsinn abermals zu bemühen, auch wenn er das unweigerlich zu erwartende kalte Ziehen fürchtete.
Ehe es dazu kam, schoss Schekira im Sturzflug herbei und rief: »Vorsicht! Kaguan ist direkt über euch!« Schon war sie wieder verschwunden.
Twikus sprang unter dem Schutzdach hervor, um den Zoforoth mit Pfeilen einzudecken. Aber das war schwerer als gedacht. Die verwandlungsfähige Kreatur hatte sich gut getarnt.
Falgon stach seinen Speer einfach senkrecht nach oben. In schneller Folge zertrümmerte die stählerne Spitze dutzende von Ziegeln. Splitter regneten auf ihn und Dormund herab, welcher daneben stand und darauf wartete, seinen erhobenen Hammer auf alles niedersausen zu lassen, das größer als ein Dachziegel war.
Mit einem Mal bemerkte der König eine Bewegung auf dem Vordach. Es sah aus, als würde ein großer Wassertropfen die Schräge hinabrollen und den Blick auf die darunter liegenden Ziegel verzerren. Plötzlich erschien ein schwarzer Blitz wie aus dem Nichts und schlitzte das Dach auf eine Länge von etwa zwei Schritten auf. Während Falgon und Dormund sich noch vor den herabfallenden Trümmern und der Kristallklinge in Sicherheit brachten, fiel die fast unsichtbare Masse vom Rand in den Hof herab.
Bevor sie den Boden erreichte, hatte Twikus schon einen weiteren Schuss abgegeben. Doch wieder parierte Kaguan den Pfeil mit Schmerz. Danach erst landete er, das Schwert schon wieder zur Verteidigung erhoben, mit beiden Füßen auf dem Pflaster. Spielerisch tänzelte er drei, vier Schritte zur Seite, bis er vor einem Stützbalken zum Stehen kam. Das Ziegelmuster verschwand von seinem Körper und die Schuppenhaut bekam wieder den dunklen Glanz von Blutstein oder Pech. Wie zum Hohn formten sich am Kopf des Zoforoths Züge, die wie eine schwarz lackierte Maske des königlichen Antlitzes aussahen.
»Na schön. Du hast es ja nicht anders gewollt«, schnaubte Twikus und ließ seine Waffe fallen. Mit Pfeil und Bogen war dieser Kreatur offenbar nicht beizukommen. Er löste die Schlaufe Zijjajims, füllte das gläserne Schwert mit einem grünen Licht und ließ es sich aufrichten.
Der Zoforoth schien sich selbst in eine missliche Lage gebracht zu haben. Unter dem Rand des durchlöcherten Vordaches stehend war er so gut wie umzingelt. Falgon und Dormund näherten sich ihm von der Schmiede her und Twikus aus dem Hof. Doch wieder überraschte Kaguan seine Gegner.
Mit einer schnellen Drehung des Körpers schwang er Schmerz gegen den
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