Mirad 02 - Der König im König
Stützbalken. Das Holz bot der Kristallklinge nicht mehr Widerstand als ein Grashalm. Mühelos durchtrennte sie den Pfosten.
Falgon schleuderte seinen Speer.
Noch mit demselben Schwung, der den Pfahl gefällt hatte, fegte Kaguan das schwere Wurfgeschoss beiseite. Mit unglaublicher Leichtfüßigkeit huschte er zur nächsten Stütze.
Jetzt erst durchschaute Twikus den listigen Plan. »Fort von dem Dach!«, schrie er seinen Gefährten zu, aber es war zu spät.
Ein weiterer Hieb Kaguans durchtrennte den Balken. Das ohnehin schon ramponierte Vordach brach krachend zusammen und begrub die beiden Männer unter sich.
Wieder lachte Kaguan. »Jetzt sind nur noch wir übrig. Ihr hättet auf meinen Rat hören sollen, Söhne der zwei Völker.«
Twikus kochte vor unbändigem Zorn. Mit erhobenem Schwert stürmte er auf den Zoforoth zu. Nun war es also doch so weit gekommen: Schmerz und Zijjajim sollten sich ein zweites Mal begegnen. Doch ehe er seinen Gegner erreicht hatte, hörte er überraschend Ergils aufgeregte Gedankenstimme im Kopf.
Renne nicht blindlings in unser Verderben! Er ist uns bei weitem an Körperkraft überlegen.
Das schwarze Schwert fuhr schräg auf Twikus herab und hätte ihm wohl den sicheren Tod beschert. Von der Warnung seines Bruders gerade noch zur Besinnung gebracht, sprang er, kaum weniger behände als der Zoforoth, aus vollem Lauf in die Höhe, beschrieb in der Luft, während die schwarze Klinge unter ihm entlangsauste, eine vollständige Drehung und holte seinerseits zum Streich aus.
Doch so leicht ließ sich Kaguan nicht austricksen. Mit fast unwirklicher Schnelligkeit duckte er sich. Himmelsfeuer zischte über sein jettschwarzes Haupt hinweg ins Leere. Twikus landete zwischen den Trümmern des Vordaches, unter dem seine Freunde begraben lagen. Sein Fuß stieß gegen einen zersplitterten Balken. Einen furchtbaren Augenblick lang kämpfte er um sein Gleichgewicht, während Kaguan sich zu ihm umdrehte und schon wieder das Kristallschwert hob. Mit zwei schnellen Schritten rückte er auf Schlagdistanz heran und ließ Schmerz abermals niedersausen.
Twikus, immer noch wankend, konnte nichts anderes tun als dagegenhalten. Zum ersten Mal an diesem Tag trafen die beiden Klingen aufeinander. Für Twikus war diese Begegnung, die er in seinen Träumen so oft durchlebt hatte, eine dunkle Erinnerung, für Kaguan dagegen eine überraschend neue Erfahrung.
Der Zusammenprall zweier so unterschiedlicher Kristallschwerter war mit nichts zu vergleichen. Wenn Stahl auf Stahl trifft, klingt es nicht viel anders, als wenn ein Schmied seinen Hammer auf ein glühendes Stück Eisen drischt. Zijjajim und Schmerz indes kreischten wie zwei gepeinigte Ungetüme. Der Laut schien ganz Silmao entzweizureißen.
Erschrocken duckte sich Kaguan, als wolle er in Deckung gehen. Dadurch verlor sein Hieb an Kraft und der König konnte ihn zur Seite ablenken. Ein Krachen von der anderen Seite des Hofes zog Twikus’ Aufmerksamkeit auf sich. Einer der brennenden Schuppen war eingestürzt. Rauchschwaden trieben durch den Innenhof. Laute Rufe vermischten sich mit dem Klagen und Wimmern verängstigter Menschen. Undeutlich nahm er einige Gestalten wahr, konnte aber weder Múria noch Popi ausmachen. Vermutlich hatten die zwei selbst alle Hände voll zu tun, um wenigstens die Frauen und Kinder der Bartarin vor dieser Chamäleonenbestie zu retten.
Die Verschnaufpause, die der durchdringende Laut der zwei Schwerter ihm verschafft hatte, war vorbei. Kaguan richtete sich wieder auf und ging erneut zum Angriff über. Den ersten Schlag konnte Twikus noch vergleichsweise leicht zur Seite ablenken, aber schon der zweite warf ihn fast von den Beinen. Ergils Warnung hallte als Erinnerung durch seinen Sinn: Er ist uns bei weitem an Körperkraft überlegen.
Eine schnelle Folge von Hieben prasselte auf ihn herab. Während der junge König sie verzweifelt abwehrte, stolperte er rückwärts über das Trümmerfeld des Vordaches. Sein Gegner benutzte die schwarze Kristallklinge mit schrecklichem Geschick. In einem normalen Zweikampf hätte Twikus seine Sirilimkünste gebrauchen können, um sich zur Wehr zu setzen, aber gegen Schmerz vermochte er damit nichts auszurichten. Letztlich, so wurde ihm bewusst, lief also doch alles auf ein reines Kräftemessen hinaus, auf einen Kampf zwischen den Reflexen einer Raubkatze und roher Gewalt.
Das stimmt nicht!, rief unvermittelt Ergil zwischen zwei Paraden hinein.
Halt die Klappe! Du lenkst mich nur ab, beklagte
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