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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Königin war in etwa so groß wie das Standbild vor ihrem Palast, mit anderen Worten: riesig. Ihr massiger Leib glänzte in einem kräftigen Rot, das mit sehr geschmackvollen goldgelben Tupfen übersät war. Ihre lidlosen Augen musterten interessiert den, im Vergleich zu ihr, winzigen Mann.
    »Nur herbei, Meister Harkon! Rutscht bitte näher«, sagte sie in durchaus kultiviertem Miradisch.
    Mit dieser Einladung wollte sie den Gast nicht etwa dazu anhalten, auf den Bauch zu fallen und sich mittels Schwimmbewegungen durch den Raum zu bewegen; es handelte sich lediglich um eine xkische Redewendung, die dem Umstand Rechnung trug, dass die Xk keine Beine hatten, mit denen man hätte näher treten können. Harkon durchquerte gemessenen Schrittes den größten Teil des etwa zweihundert Fuß langen Raumes, den er in seinem Reisebericht eher als »Bruthöhle« beschrieben hätte. In respektvollem Abstand vor der Königin blieb er stehen und verbeugte sich.
    »Ich freue mich außerordentlich, Eure Bekanntschaft zu machen, Majestät. Obwohl ich kaum mehr als zwei Stunden in Xkisch weile, habe ich schon großartige Dinge von Euch gehört.«
    Ein blubberndes Kichern entfleuchte dem schleimig glänzenden Leib der Monarchin. »Ihr seid ein Schmeichler, Meister Harkon.«
    An dieser Stelle wollen wir uns aus dem Gespräch ausblenden, weil es in den gehobenen Gesellschaftsschichten von Xk zur gängigen Praxis gehörte, sich mindestens eine halbe Stunde lang, wie es so schön hieß, »Schleim ums Maul zu schmieren«. Gemeint war damit die Sitte, sich mit Komplimenten zu überhäufen, wobei man dem Grundsatz folgte: Je ausgefallener und neuer die Höflichkeitsfloskeln, desto kultivierter der Gast.
    Endlich konnte Harkon sein Anliegen vorbringen. Mit Engelszungen setzte er sich für seine Freunde ein. Er machte Quaxxa und ihren Höflingen begreiflich, was ein »Entergang« war. So nenne man es gemeinhin, wenn ein Schiff ein anderes anrempele und die Besatzung des ersteren versuche, auf das zweite überzusetzen. In den meisten Regionen des Herzlandes würde ein solcher Vorfall als kriegerischer Akt gedeutet. Man könne es König Ergil und seinen Gefährten daher nicht verdenken, wenn sie zu ihren Waffen gegriffen hätten…
    »Verzeiht die Unterbrechung, werter Meister, aber habt Ihr eben König gesagt?«, fiel Quaxxa dem Gast ins Wort.
    »Sehr richtig, Majestät. Die Mondwolke stand unter dem Kommando des Königs von Soodland. Hatte ich das noch nicht erwähnt?«
    »Mitnichten, mein lieber Harkon, mitnichten. Das ist ja nun mal was Neues. Da kommt ein gekröntes Haupt der Menschen auf Staatsbesuch nach Xk und ich erfahre es nur durch Zufall.«
    »Verzeiht, Majestät. Ich bin manchmal ein wenig zerstreut.«
    »Davon habe ich gelesen.« Die kolossale Königin gab einen schnalzenden Laut von sich, woraufhin etwa ein halbes Dutzend Diener heranglitten. Harkon verstand nur bruchstückhaft, was sie zu ihnen sagte. Während die Wurmlinge beflissen davonrutschten, wandte sie sich wieder an ihn.
    »Wie es scheint, mein lieber Harkon, liegt hier tatsächlich ein Missverständnis vor. Ich habe soeben veranlasst, dass Eure Begleiter unverzüglich aufgeweicht werden.«
     
     
    Mit einem Schlag war das Gestöber wieder da. Aber irgendetwas stimmte nicht. Die umeinander wogenden Flocken waren nicht weiß. Jede hatte eine andere Farbe. Einige wirbelten so dicht an Ergil vorbei, dass sie ihm riesengroß erschienen. Dann konnte er Bilder auf ihnen sehen. Bilder von einem Wildbach, in den er gefallen war. Von einem Grotan, der auf ihn zustürmte. Von einem schmutzigen Ritter in zerbeulter Rüstung, der zu Staub zerfiel. Von schwankenden Türmen, von Trebekrebsen, einem Seeigelhaus, einem Palast aus Schmetterlingen, einem gewaltigen Waggheer, einem stürzenden König, einem riesigen dunklen Kristallschwert, einem pechschwarzen Wesen mit sechs Gliedmaßen, einem Kratersee in derselben Farbe – durch welchen wiederum Bilder wirbelten. Bilder von seiner Mutter.
    Ergil riss die Augen auf. Gierig sog er die Luft ein, als sei er gerade vom tiefsten Abgrund des Meeres aufgestiegen. Dabei rann ihm ein Schwall Wasser in den Mund.
    »Bitte atmet ruhig, König Ergil. Gleich wird es Euch besser gehen.«
    Er blinzelte. Dem Anschein nach befand er sich, auf einem bequemen Lehnstuhl sitzend, in einer Wohnhöhle oder Grotte, in der es regnete. Die Wände des feuchten Gewölbes hatte irgendjemand mit überschüssiger Farbe bespritzt.
    Was für eine sonderbare Stimme war

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