Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Aufmerksamkeit, die sie von dir bekommt.«
Aus einem Grund, den er mit dem Verstand nicht erklären konnte, merkte Ergil, wie er rot anlief, und stotterte: »Äh… Besser, wir f-fangen jetzt mit der Bestäubung des Ginkgos an.«
Sie schob die Unterlippe vor, sah ihn noch einen Moment mit schräg gelegtem Kopf an, hob dann ihre Schulter unter einem tiefen Atemzug und sagte: »Du hast Recht. Lass uns beginnen.«
»Bitte nimm meine Hand«, sagte Ergil.
Nishigo legte ihre Linke in seine Rechte. »Wozu?«
Er verstand die Frage nicht sofort, weil in seinem Innern mit dem Moment der Berührung ein Damm eingerissen worden war, der eine heiße Woge durchbrechen ließ, die in ihm hin und her schwappte und bis zu den Ohren hinauf ein lärmendes Rauschen verursachte. Ab und zu hörte er auch ein merkwürdiges Knacken. Was war das jetzt wieder? Er hielt doch nur die Hand dieses Mädchens, so wie er immer Inimais…
Plötzlich war ihm klar, dass die Gewohnheit ihn übertölpelt hatte. Nishigo besaß keine Macht, mit der sie ihn unterstützen… Falsch!, unterbrach er sich. War das, was er eben gefühlt hatte, etwa kein Beweis für ihre Macht? Das Argument erschien ihm stichhaltig genug, um Nishigos Hand so bald nicht wieder loszulassen.
»Ergil? Hörst du mich?«
»Äh… ich… Ich brauche dich«, stammelte er.
Sie lächelte. »So wie ich dich gestern Abend. Das ist schön.«
Er versuchte noch einmal, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Wie ein Bussard seine Beute am Boden fixierte er einen in Griffhöhe befindlichen Zweig mit Ginkgoblüten. Die Blätter waren braun und winzig klein zusammengeschrumpelt.
»Was tust du jetzt?«, fragte Nishigo. Sie flüsterte, weil sie wohl seine tiefe Konzentration spüren konnte.
»Ich wiederhole die allererste Übung, die meine Meisterin Twikus beigebracht hat. Achte auf die Blüten da.« Er deutete mit dem Kinn.
Nishigo folgte mit den Augen seinem Blick. Was sie im nächsten Moment zu sehen bekam, war selbst für eine susanische Prinzessin ein Wunder.
Zuerst verwandelte sich nur eine vertrocknete Blüte am Ende des Zweiges, aber dann vollzog sich die Veränderung auch an allen übrigen. Sie wuchsen, weil der Saft in sie zurückkehrte, das Braun hellte sich zusehends auf und dann bekamen sie eine warme, kräftig gelbe Farbe, die Ergil sehr bekannt vorkam. So mussten einst die Segel der Ginkgoblüte gestrahlt haben, bevor das ewige Eis sie samt Besatzung und Harkon Hakennase umschlossen hatte.
»Unglaublich!«, hauchte Nishigo. Ihre Linke umklammerte Ergils Rechte noch fester, was ihm nicht unangenehm war.
Trotzdem vergaß er darüber nicht seine Aufgabe. In rascher Folge suchte er sich einige weitere, tief hängende Zweige aus und ließ sie wie Bernsteine im Sonnenlicht erstrahlen. Als er sich endlich wieder Nishigo zuwandte, bemerkte er, wie sie ihn mit einem seltsam verträumten Ausdruck anlächelte.
»Alles in Ordnung mit dir, Nishi?«
Sie schüttelte den Kopf und antwortete: »Dass du so was kannst!«
Er räusperte sich, unterdrückte eine Bemerkung in der Art wie: Dergleichen gehöre zu seinen leichtesten Übungen, und sagte stattdessen: »Ab jetzt wirst du mir helfen.«
Sie strahlte ihn an. »Gerne. Was muss ich tun?«
Ergil hatte sich von Medikus Mujo einige Hilfsmittel zur Verfügung stellen lassen. Mit einem sehr scharfen Operationsmesser öffnete er in einem kleinen Alabasterschälchen die Pollensäckchen, streifte den feinkörnigen Inhalt heraus und warf die leeren Hüllen weg. Anschließend nahm er einen aus Baumwollflocken bestehenden Wattebausch, tauchte ihn gerade weit genug in die Pollen, um einige davon aufzunehmen, und betupfte damit nacheinander die Blüten an einem Zweig.
»Hast du’s gesehen? Wir machen es wie die Bienen.«
Sie nickte und folgte seinem Beispiel. Als sie die ersten Blüten bestäubte, brandete vom Rand des Wiesenrunds Applaus auf. Dormund mit seinen Pranken hatte den Anfang gemacht und die zurückhaltenden Susaner wurden irgendwann einfach mitgerissen.
Als alle Blüten bestäubt waren, begab sich das Paar zu den Beobachtern. Ergil verneigte sich vor Oramas und sagte: »Es ist vollbracht.«
Der Mazar war entzückt. »Susan ist Euch auf ewig zu Dank verpflichtet, mein lieber Ergil.«
Der junge König deutete abermals eine Verneigung an. »Wenn Ihr Euch erkenntlich zeigen wollt, Majestät, dann wüsste ich schon etwas. Entrin und Godebar haben sich gegen mich verschworen. Sie belagern Soodland. Lasst Eure Truppen an der Grenze
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