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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Schwert überlebte. Und nun kommst du zu mir. Ich bin… ein bisschen durcheinander.«
    Ergil hätte am liebsten laut gelacht, weil er nicht nur ein wenig konfus, sondern völlig durch den Wind war. Aber er unterdrückte den Impuls, aus Angst missverstanden zu werden, und fragte stattdessen: »Warum bist du hier?«
    »Ich wollte einen Moment mir dir die Trauer teilen, ohne mich verstellen zu müssen, wie es die susanische Tradition gebietet.«
    Er atmete tief durch. »Du glaubst nicht, wie gut mir das tut, Nishi. Ich darf doch weiter wie Twikus Nishi zu dir sagen, oder?«
    »Natürlich. So höre ich meinen Kosenamen aus demselben Mund, den ich einst geküsst habe.«
    Mit einem Mal wurde Ergil glühend heiß. Ungeschickt löste er sich von der Prinzessin, räusperte sich und sagte: »Ich muss mich langsam für das Fest fertig machen, das dein Vater zu unseren Ehren gibt.«
    Nishigo schlug die Augen nieder. »Ja. Ich auch. Dann sehen wir uns also später, ganz förmlich, wie es die Etikette verlangt?«
    Er nickte und sagte heiser: »Ja. Ganz förmlich…«
     
     
    Das Bankett, das der Mazar zum Anlass des Staatsbesuches von König Ergil gab, war wegen der kurzen Vorbereitungszeit nicht ganz so prunkvoll und gut besucht, wie es dem Anlass eigentlich entsprochen hätte. Man musste sich auf fünfhundert Gäste beschränken und es gab auch nur ein Achtundvierzig-Gänge-Menü. Oramas III. versprach Besserung. Wenn der Ginkgo die ersten Früchte trage, werde die ganze Stadt feiern.
    Während des Festes gab sich Ergil große Mühe, nicht ständig Nishigo anzustarren. Sie saß zur Linken ihres Vater am Kopfende der langen Tafel. Ihre Hofdamen hatten sie in mehrere Lagen kostbarster rosafarbener, goldbestickter Seide eingewickelt. Sie war blass geschminkt, abgesehen von den blutroten Lippen. Auf ihrem Kopf türmte sich das kupferfarbene Haar zu beachtlicher Höhe. Das Gesicht war eine Maske gefrorenen Lächelns. Obwohl Ergil einiges an ihr nicht ganz echt fand, musste er sie bewundern. Sie war wunderschön.
    Ihm hatte man den ersten Platz an der Längsseite zugewiesen, gleich zu Oramas’ Rechter. Auf der anderen Seite saß Harkon Hakennase, der in Susan mindestens ebenso verehrt wurde wie die Retter der Prinzessin. Schekira hatte sich in schillernde Abendgarderobe geworfen: Sie trug das Federkleid eines Paradiesvogels, welchen nie ein Mensch gesehen hatte. Den größten Teil des Abends verbrachte sie auf Ergils Schulter. Nisrah hing da, wo er immer hing, und der Rest der Gemeinschaft des Lichts schloss an der Tafel dicht an die genannten Personen auf.
    Obwohl ihm nicht danach zumute war, musste Ergil ausführlich die verschiedenen Stationen seiner abenteuerlichen Reise schildern. Einiges ließ er mit Bedacht unerwähnt, anderes wurde ihm von Harkon abgenommen. Der Abenteurer war ein glänzender Erzähler, der selbst stumpfen Details Farbe und Glanz verleihen konnte. Jetzt erst verstand Ergil richtig, warum man den Zausel oft als Lügenbaron bezeichnet hatte. Aber Susaner liebten Märchen und sie waren viel zu höflich, um die phantastischen Details der Geschichte zu hinterfragen.
    Zum Höhepunkt des Abends präsentierte Ergil – auf hochherrschaftlichen Druck – das Satimsäckchen mit den kleinen Ähren des männlichen Ginkgos und schrieb sich damit endgültig in die Geschichtsbücher von Susan ein. Es war schon erstaunlich, wie sehr die sonst so beherrschten Susaner nun aus sich herausgingen. Ihr Applaus wollte gar kein Ende nehmen. Etliche Gäste lächelten sogar. Vereinzelt waren Hochrufe zu hören. Ergil fühlte sich mehr als unwohl dabei.
    »Morgen früh möchte ich Euren Goldfruchtbaum bestäuben«, erklärte er Oramas leise, während der Beifall noch prasselte.
    »Morgen?«, wunderte sich der Mazar. »Aber die Ginkgoblüte ist doch längst vorbei.«
    »Eben. Das bedeutet, ich werde meine ganze Kraft benötigen, um es trotzdem zu schaffen. Ich würde mich daher jetzt gerne zurückziehen, damit ich mich ausruhen kann.«
    »Ihr flieht immer vor meinen Festen, lieber Ergil«, beschwerte sich Oramas.
    »Das kommt Euch nur so vor, Majestät.«
    »Na, ist schon gut. Ich verstehe Euch ja. Entfernt Euch nur. Ich wünsche Euch süße Träume.«
    Ergils Blick huschte hinüber zu Nishigo. Sie saß aufrecht da, das einzig Lebhafte an ihr waren ihre funkelnden, karneolfarbenen Mandelaugen. Er schöpfte tief Atem und sagte: »Danke, Majestät. Die werde ich bestimmt haben.«
    In der Nacht träumte Ergil tatsächlich von Nishigo.

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