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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Kost.
    »Meint Ihr damit, sie ist schon dabei, oder wollt Ihr sagen, sie schickt sich gerade an, es zu tun?«, hatte die Prinzessin gerade den Soldaten gefragt. Offenbar nahm sie damit auf Feinheiten im susanischen Sprachgebrauch Bezug, die Ergil vor Schreck nicht bedacht hatte.
    »Ja«, antwortete der Gardist zackig.
    Ergil hätte den Mann am liebsten geohrfeigt.
    »Was bedeutet das? Drückt Euch gefälligst deutlich aus«, befahl Nishigo in einem Ton, den Ergil ihr nicht zugetraut hätte.
    »Die Qualle bewegt sich auf den Gingko zu«, präzisierte der Posten.
    Die Prinzessin und der König warfen sich einen Blick zu, dann begannen sie so schnell zu laufen, wie ihre Beine sie trugen.
    Nishigo war klein und beweglich wie ein Wiesel. Sie nahm sämtliche Abkürzungen, die sie seit ihrer Kindheit ausgekundschaftet hatte. Ergil, um einiges größer als sie, konnte ihr oft nur mit Mühe folgen, von den geharnischten Gardisten ganz zu schweigen. Er hetzte über Wiesen und Moosfelder, setzte über künstliche Bachläufe, wetzte durch Bambushaine und verletzte sich an Ästen, die ihm ins Gesicht schlugen. Als endlich zwischen den Zweigen einiger Sicheltannen das pulsierende Leuchten der Argo auftauchte, war er schon ziemlich ramponiert und keuchte wie ein alter Mann. Aber er hastete weiter, bis er endlich das Wiesenrund von Süden her erreichte.
    Auf der Ostseite des grünen Kreises gab es einen Bestand alter Lorbeerbäume, deren Blätter gerade von der Wolkenqualle abgeäst wurden. Beinahe der halbe Körper des riesigen Tieres ragte schon in die dem heiligen Baum gewidmete Lichtung hinein. Jeden Moment konnten die Tentakel nach dem Ginkgo angeln.
    »O nein!«, stieß Nishigo hervor, als ihr klar wurde, dass Ergil nicht mehr rechtzeitig unter die Qualle laufen und ihr Einhalt gebieten konnte.
    Er schloss die Augen, nicht um sich in das scheinbar Unabwendbare zu fügen, sondern weil er sich konzentrieren musste. Sein Sirilimsinn umschloss den gewaltigen Leib der Argo.
    »Ergil!«, hörte er Nishigo entsetzt rufen, vermutlich weil er sich vor ihren Augen in einen grünlich leuchtenden Schemen verwandelte, der rasch durchsichtig wurde und dann jäh verschwand.
    Während sie noch auf das Loch im Boden starrte, nahmen sein Körper und das aus Sicherheitsgründen in den Sprung mit einbezogene Wiesenstück im Innern der Wolkenqualle wieder feste Form an. Pfeif sie zurück, rief Ergil dem Netzling zu.
    Bin schon dabei, antwortete Nisrah.
    Aus dem Ärmel seines Gespinstlings schnellte ein feiner Körperfaden und nahm mit der Argo Kontakt auf.
    Die Qualle zeigte keine Reaktion.
     
     
    Am Rand des Wiesenrunds hatten sich inzwischen zahlreiche Wachen versammelt. Wie schon einmal vor fünf Wochen wurden Pfeile auf Bogensehnen gelegt und himmelwärts gerichtet. In Koichis Begleitung traf gerade der Mazar ein. Als Oramas gewahr wurde, dass die Wolkenqualle sich genau über dem Ginkgo positionierte, schrie er: »Gebietet Euren Männern Einhalt, Oberst!«
    »Aber wenn das Untier…«, begehrte der Kommandant der Palastwache auf, wurde aber gleich wieder unterbrochen.
    »Tut, was ich Euch befehle!«, fauchte der Mazar.
    Koichi verneigte sich tief und gehorchte. In scharfem Ton gab er die Anweisung an seine Hauptleute weiter, welche sie wiederum an die Bogenschützen austeilten. Reihum sanken die Pfeilspitzen.
    Schweigen. Gespannt beobachteten alle das Besorgnis erregende Harren der Qualle über dem Ginkgo.
    Nach einer Weile brummte Oramas: »Hättet Ihr auf die Wolkenqualle geschossen, Koichi, wäre sie womöglich auf den heiligen Baum niedergegangen und hätte ihn zermalmt.«
    Inzwischen hatte Nishigo ihren Vater am Westende des Wiesenrunds entdeckt und eilte auf ihn zu. Ehe sie ganz bei ihm war, rief sie: »Nicht schießen, Vater! Nicht schießen! Ich glaube, Ergil ist in dem Tier.«
    Auf Oramas’ Stirn erschien eine senkrechte Falte. »Der König greift unseren Gingko an?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht doch, Vater. Er versucht ihn zu retten.«
    »Bist du dir sicher?«
    »Eben habe ich ihn noch gesehen, dann war er plötzlich verschwunden. Und die Qualle verhält sich ruhig.«
    »Mir wäre lieber, wenn sie das auf dem Gemüseberg tun würde, den wir für sie im Garten aufgehäuft haben.«
    Koichi sagte: »Wie mir berichtet wurde, hat die Qualle ihn nicht angerührt. Vielleicht mag sie keinen Kohl.«
    Mit einem Mal ging ein Raunen durch die versammelten Scharen. Der Mazar, seine Tochter und der Oberst wandten sich wieder der Argo

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