Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
zufrieden. »Das hatte ich gehofft. Nun, dann schlage ich vor, wir machen es folgendermaßen…«
Entschlossen erörterte er seinen Plan. Mit keinem Wort ließ er irgendwelche Zweifel an seinen Fähigkeiten erkennen. Lieber wollte er sterben als zuzulassen, dass Nishigo Leid zugefügt wurde.
Überraschung, Verwirrung und Angst – das waren die drei Säulen, auf denen der König von Soodland seinen Plan zur Eroberung des »Hauses der Glückseligkeit« aufgebaut hatte. Das Unternehmen ohne Nisrahs Hilfe anzugehen war ein Wagnis. Doch Ergil spürte keine Müdigkeit mehr. Die Liebe zu Nishigo war ein Feuer, das alle Zweifel wegbrannte.
Zwei Personen näherten sich dem Haupttor des verbotenen Bezirks: Ergil und Tusan. Ersterer trug neben seinem »gläsernen Gürtel« einen Langbogen samt Köcher. Die Bewaffnung des Fährtensuchers bestand aus drei Blasrohren unterschiedlicher Länge und etlichen kleinen Pfeilen, deren verschiedenfarbiges Gefieder ihm verriet, ob ihr Gift tödlich oder nur betäubend war.
Während die beiden an das Tor herankamen, sahen sie die von Furcht und Verzweiflung verzerrten Gesichter der Festgeketteten. Es waren fünf Frauen, alle jüngeren Alters. Sie trugen lange luftige Gewänder, vorzugsweise in Türkis, Rot und Gelb, die in der Morgenbrise flatterten. Die Füße der Gefesselten steckten in dünnen Stoffschuhen ohne Schaft und feste Sohle, was in einem Harem ja bequem sein mochte, hier aber mit unsäglichen Qualen verbunden sein dürfte, weil sie mit ihrem ganzen Körpergewicht auf sehr schmalen Querstreben stehen mussten.
Eine Frau hatte schon die Besinnung verloren und hing schlaff in den Ketten, die um ihren Leib geschlungen waren. Die anderen wimmerten leise vor sich hin.
»Halt!«, brüllte der Gardist, der sich hinter der mittleren Frau verschanzt hatte. Sie war bei seinem Ruf zusammengezuckt, starrte die zwei Fremden wie Geister an und begann um Hilfe zu schreien. Der Soldat stieß ihr von hinten das stumpfe Ende seiner Lanze in den Leib, woraufhin sie wieder in ihr leises Wimmern verfiel. Mit seinem Sirilimsinn »sah« Ergil vier weitere Posten, die hinter den steinernen Torpfeilern versteckt waren. Der König und sein stromländischer Freund blieben ungefähr dreißig Schritt vor dem Tor stehen.
»Wir sind Unterhändler von Tantabor, dem neuen Regenten von Ostrich«, rief Tusan. Er war der Ältere und mit seinem roten Vollbart hinreichend Respekt einflößend, um von dem Frauenschinder ernst genommen zu werden.
Der Soldat schnaubte verächtlich: »Wir verhandeln nicht mit Rebellen. Schert Euch weg, oder unsere Bogenschützen werden Euch mit Pfeilen spicken.«
Tusan flüsterte: »Nichts als Säbelrasseln. Sie wissen, dass sie sich nicht ewig im Dari Saadet verschanzen können.« In Richtung Tor rief er: »Im Palast befinden sich Frauen und Kinder. Tantabor will kein Blutvergießen. Er gewährt allen Straffreiheit, die sich ihm anschließen.«
»Ich bin nicht befugt, mit Euch darüber zu verhandeln.«
»Dann nennt uns den Namen und Rang Eures Anführers!«
»Ysga hat hier das Sagen, der Kommandant der Haremswache.«
Ergil verschluckte sich vor Schreck an seiner eigenen Spucke.
Tusan warf ihm einen fragenden Blick zu. »Gibt’s da was, das ich wissen sollte?«
»Du kennst ja die Geschichte mit Kaguans Wasserwalze. Damals war dieser Ysga ein Hauptmann der Hafengarde und beanspruchte den Ruhm für die Rettung Ostgards mehr oder weniger für sich. Wenn du mich fragst, ist er ein falscher Hund. Anscheinend hat ihn Godebar befördert.«
Der Fährtensucher nickte. Wieder an den Posten gewandt, rief er: »Ist Ysga abkömmlich, damit wir ihn sprechen können?«
»Nein. Er kümmert sich um das Wohlbefinden einer susanischen Prinzessin.« Der Posten grinste unverschämt. »Davon abgesehen hat der Kommandant gesagt, dass wir hier so lange bleiben, bis die Rebellen sich ergeben.«
Ergils Hand klammerte sich so fest um den Bogen, dass seine Knöchel elfenbeinern schimmerten.
Tusan lachte. »Das kann nicht Euer Ernst sein, Mann. Tantabor hat – abgesehen vom Dari Saadet – den Palast unter Kontrolle. Ihr könnt nicht gewinnen.«
»Das wird sich zeigen. Ihr werdet kaum alle Kasernen von Ostgard in Eurer Hand haben. Bald bekommen wir Hilfe und dann wendet sich das Blatt.«
»Ihr überschätzt die Treue Eurer Kameraden. Sie kehren Godebar in Scharen den Rücken.«
»Ihr lügt! Außerdem, wenn Ihr das Dari Saadet stürmt und Euer Anführer damit das Leben von unschuldigen Frauen
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