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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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größer zu werden. Keiner der Mannsbilder kümmerte sich um seine Schutzbefohlenen. Frauen und Kinder klammerten sich jammernd oder schreiend aneinander, während ihre Wächter sie umwogten wie eine kopflos flüchtende Hammelherde.
    Der Einzige, dem der Ernst der Lage noch nicht bewusst zu sein schien, war Ysga.
    »Der Kommandant und seine drei Männer rühren sich nicht von der Stelle«, flüsterte Ergil. Gerade hatte er die Ketten der ans Tor gefesselten Frauen zu Rost zerfallen lassen. Die Wachen waren im Nebel verschwunden.
    »Sie sind ganz oben«, gab Tusan zu bedenken. »Kann es sein, dass sie noch gar nicht mitbekommen haben, was sich unter ihnen abspielt?«
    »Ysga ist ein Feigling. Schon bei der Wasserwalze hat er sich und seine Untergebenen unnötig in Gefahr gebracht. Ich werde wohl oder übel in den Turm springen müssen.«
    »Was heißt hier ›ich‹? Wir haben abgemacht, die Sache gemeinsam zu Ende zu bringen.«
    »Bist du sicher? Mir ist jetzt schon ganz schwummrig im Kopf. Ich kann dir nicht versprechen…«
    Tusan ergriff Ergils Rechte. »Deshalb weiche ich dir ja auch nicht von der Seite. Jetzt bring uns endlich da hoch!«
    Und so sprangen sie.
     
     
    Um nicht den Kopf zu verlieren oder ohne Füße im Frauenturm anzukommen – beides wäre für Nishigo wenig hilfreich gewesen – hatte Ergil unter Einhaltung einer gut bemessenen Sicherheitszone den zerknautschten Raum durchquert. Der Schutzbereich schloss auch einige Pflastersteine mit ein, die sich unter seinen und Tusans Sohlen befanden. Obwohl er die Stelle, an der er die Falte zu verlassen gedachte, mit Bedacht gewählt hatte, wollte sich das am Vorabend untreu gewordene Glück nicht so schnell wieder mit ihm versöhnen. Zwar landeten sie punktgenau auf den Stufen, die zum achten Geschoss hinaufführten, doch während er und sein Gefährte umgehend und lautlos nach oben strebten, polterten die Pflastersteine auf der Treppe unüberhörbar nach unten.
    Ein brenzliger Geruch lag in der Luft. Ergil keuchte, weil der Sprung einen Großteil seiner Reserven gekostet hatte. Im nächsten Moment hörte er über sich eine Stimme, die wie Grind in seiner Erinnerung klebte.
    »Was war das?«, fragte Ysga. Seine Stimme wurde von den farbigen Stoffbahnen gedämpft, die überall von der Decke hingen. Ergil hatte sie schon mit seinem Sirilimsinn wahrgenommen. Sie dienten wohl zur Unterteilung des großen, achteckigen Raums in mehrere Wohnbereiche, vielleicht auch als Schmuck. Oder beiden Zwecken zugleich.
    »Woher soll ich das wissen?«, antwortete ein anderer.
    »Nimm Tunigu mit und seht gefälligst nach! Mundbert bleibt bei der Prinzessin.«
    »Hilfe!«, schrie Nishigo.
    »Mist! Sie haben uns gehört«, zischte Tusan.
    »Bleib dicht bei mir und beweg dich nicht«, flüsterte Ergil.
    Am Ende der Treppe erschienen zwei Männer und spähten nach unten. »Niemand da, Kommandant«, meldete einer der beiden. Ergil hatte sich und Tusan ein kleines Stück in die Zukunft verschoben, wodurch sie für die Wachen unsichtbar geworden waren.
    »Und woher kommt der Krach?«, bellte Ysga.
    »Nichts Schlimmes. Da liegen nur ein paar Pflastersteine auf den Stufen.«
    »Bist du närrisch, Tunigu? Wo sollen hier denn plötzlich Pflastersteine herkommen?«
    »Keine Ahnung, Kommandant.«
    »Bestimmt steckt dieser Soodländer dahinter. Behalte die Treppe im Auge, Tunigu. Lennbar, geh da rüber und schieß auf alles, was sich bewegt – außer uns natürlich. Wenn nötig, macht ihr mit der susanischen Prinzessin einfach kurzen Prozess. Habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt?«
    Ein mehrstimmiges »Ja, Kommandant!« ertönte.
    Tunigu lehnte sich lässig an die Außenmauer und heftete seinen Blick auf die – vermeintlich leeren – Stufen.
    Mit seiner Alten Gabe erkundete Ergil erneut den über ihnen liegenden Raum, um die Position der übrigen Gardisten festzustellen. Dann teilten er und Tusan die Gegner unter sich auf. Obwohl seine Stimme im Hier und Jetzt nicht hörbar war, flüsterte er.
    Der Fährtensucher wiederholte die Anweisungen bis zu der Stelle, an der sein Freund gesagt hatte: »Sobald ich deinen Arm drücke, geht’s los.« Danach stopfte er einen gelben Pfeil in sein mittellanges Blasrohr. Gelb bedeutete: »Leg dich hin, schlaf die nächsten acht Stunden und wache anschließend mit rasenden Kopfschmerzen, einem metallischen Geschmack im Mund und ganz üblem Brechreiz wieder auf.«
    Dann wartete Ergil. Obwohl er sich mit Tusan einen Sehritt weit in der Zukunft

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