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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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befand, war sein Bewusstsein auf die Gegenwart gerichtet, damit er den richtigen Augenblick für den Angriff abpassen konnte. Deshalb hörte er auch leise das Stimmengewirr flüchtender Soldaten sowie das Wimmern von Frauen und Kindern aus den Tiefen des Turms nach oben dringen. Mit einem Mal verlagerte der Gardist seine Aufmerksamkeit von der Treppe auf irgendetwas anderes.
    Blitzartig ließ Ergil sich und seinen Freund in die Gegenwart zurückschnappen und drückte dessen Oberarm. Sogleich presste Tusan die in seinen Lungen eingeschlossene Luft heraus und mit kaum wahrnehmbarem Geräusch schoss der kleine Pfeil aus dem Blasrohr.
    Ehe Tunigu mitbekam, dass sich nicht etwa der Stachel irgendeines Insekts in seinen Hals gebohrt hatte, war er auch schon gelähmt. Ungünstigerweise sank Tunigu nicht einfach an der Mauer zusammen, sondern kippte Richtung Treppe.
    Die zwei Eindringlinge sprangen vor, fingen den schlaffen Körper auf und ließen ihn zu Boden gleiten. Am liebsten hätte sich Ergil gleich daneben gelegt, so erschöpft war er mittlerweile, doch die Sorge um Nishigo ließ das nicht zu. Er mobilisierte seine letzten Kraftreserven und betrat mit Tusan die Arena, in der sie noch drei weitere Gegner unschädlich machen mussten.
    Weder die Gardisten noch Nishigo waren zu sehen. Die schneeweißen, von der Decke hängenden Seidentücher versperrten die Sicht. Sie bewegten sich, großen Fahnen gleich, im Luftzug, der wie durch einen Kamin im Gebäude aufstieg. Plötzlich ertönte irgendwo unten eine Explosion. Menschen schrien. Flammen fauchten und saugten gierig die Luft an. Dadurch wehte eine regelrechte Bö durch das Gebäude und bauschte die feinen Gewebe auf.
    Für einen langen Moment begegneten sich die Blicke der Angreifer und Verteidiger.
    Rechts von Ergil, genau in der Mitte des Raumes, saß Nishigo auf einem Diwan. Hinter ihr stand ein grobschlächtiger Kerl, der einen Krummdolch an ihre Kehle hielt. Ergil ließ seinen Pfeil von der Sehne schnellen. Im selben Augenblick verließ ein deutlich kleineres, leuchtend gelbes Geschoss Tusans Blasrohr.
    Der längere Pfeil traf Mundbert mitten in die Stirn. Nicht die Zornissen hatten Ergil dieses Ziel auswählen lassen – obwohl ein gewisser Groll auf die anwesenden Herren durchaus gerechtfertig war –, sondern sein Gespür für das Dort und Gleich: Der Gardist hätte nicht gezögert, sein Faustpfand umzubringen. Es spricht für die Geistesgegenwart der Prinzessin, dass sie sich sofort aus Mundberts Griff losriss, als dieser sich lockerte, und seine Dolchhand von sich stieß, sonst hätte die scharfe Klinge des tot zu Boden sinkenden Mannes womöglich trotzdem ihren Hals aufgeschlitzt.
    Tusans Giftstachel flog etwas langsamer, was die ganze Situation nicht eben vereinfachte. Lennbar hätte seinen Pfeil womöglich noch in Nishigos Herz lenken können, aber glücklicherweise war er viel zu verblüfft über die plötzlich aufgetauchten Gegner. Anstatt weisungsgemäß auf alles zu schießen, was sich bewegte, staunte er etwas zu lange und war nun selbst, obwohl er sich überhaupt nicht gerührt hatte, zur Zielscheibe geworden. Der Giftzwerg mit dem gelben Federbüschel bohrte sich in den offenen Mund des ostrichischen Bogenschützen, der sich gründlich daran verschluckte. Wie ein nasser Sack kippte er um und schlug auf das Parkett.
    »Fehlt noch die Nummer vier«, sagte Tusan hustend. Er war von dunklem Rauch eingehüllt, der aus den unteren Stockwerken nach oben stieg. Man konnte fühlen, wie es wärmer wurde, und hören, wie das verzehrende Feuer sich ausbreitete.
    Ergil näherte sich mit aufgelegtem Pfeil der Prinzessin. Sein Sirilimsinn war jedoch weniger auf sie gerichtet, sondern suchte nach dem Kommandanten. Er hatte seine Position verändert und… Ergil erschrak.
    »Lasst sofort den Bogen sinken, Ysga!«, rief er. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Tusan näher kam und sich hektisch umblickte, aber ihm fehlte die Gabe, durch Seidentücher zu sehen.
    »Woher wisst Ihr, dass ich in Eure Richtung ziele?«, geiferte der Kommandant. Er schien wild entschlossen, sich kein zweites Mal von dem jungen König übertrumpfen zu lassen.
    »Ich kann es mit derselben Gewissheit sagen, mit der ich Mundbert getötet habe. Wollt Ihr der Nächste sein?«
    »Ihr könnt mich nicht sehen.«
    »Doch. Außerdem haben wir keine Zeit für Eure Spielchen, Ysga. Jeden Moment können die Flammen uns erreichen oder das ganze Gebäude stürzt zusammen. Legt Eure Waffen nieder und kommt zu

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