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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bedachte ihn mit einem finsteren Blick.
    Der Rebell wechselte schnell das Thema. »Ihr habt Euch einen Eindruck von der Lage machen wollen, damit wir eine Strategie zur Erstürmung abstimmen können. Mittlerweile sind dreihundert meiner Männer im Palastbezirk. Mehr als die Hälfte davon wird gegen das Dari Saadet vorrücken, wenn ich den Befehl dazu gebe. Aber ich will kein unnötiges Blutvergießen – weder auf unserer Seite noch unter den Gegnern. Wenn Ihr also einen guten Vorschlag habt, Majestät, dann wäre jetzt ein passender Zeitpunkt, ihn auszusprechen.«
    Ergil hatte zuvor mit der Alten Gabe den verbotenen Bezirk erforscht. Dabei war ihm Folgendes aufgefallen: Die Umfriedung besaß keinen Wehrgang, weshalb die Verteidiger im Garten nur darauf warten konnten, wer von den Angreifern draußen seinen Kopf über die Mauer steckte, um diesen dann unter Beschuss zu nehmen. In einer besseren Position waren jene Haremsbesetzer, die sich im Frauenpalast verschanzt hatten. Das achteckige, turmähnliche, mit einem Flachdach versehene Gebäude besaß acht Stockwerke, die sich in Stufen nach oben verjüngten. Von den oberen konnte man über die etwa vierhundert Fuß entfernte Mauer hinwegsehen und -schießen.
    Ergil schätzte diese Tatsache als »ziemlich beunruhigend« ein, weil Tantabor ihm während ihres Ritts nach Ostgard einiges über die in Ostrich gebräuchlichen Reiterbogen erzählt hatte. Diese unterschieden sich stark von den in Soodland üblichen und auch von Ergil bevorzugten Langbogen aus Eibenholz. Weil die Nomaden traditionell ihre Beute – oder die Gegner – vom Pferd aus zur Strecke brachten, waren ihre geschwungenen Waffen vergleichsweise kompakt, aber enorm durchschlagskräftig. Die Herstellung eines solchen Reflexbogens konnte bis zu zwei Jahre beanspruchen. Aufwändig wurden verschiedene Schichten von Holz und Tierhorn verleimt und mit Sehnen umwickelt. Das Ergebnis war Furcht einflößend, konnte man mit den Waffen doch, leichte Pfeile vorausgesetzt, mehr als zweitausendfünfhundert Fuß weit schießen.
    Das »Haus der Glückseligkeit« erfüllte somit alle Voraussetzungen, um für die Eroberer, sollten sie aus den oberen Stockwerken unter Beschuss genommen werden, zu einem Haus des Todes zu werden.
    Eine Feststellung, die Ergil nicht nur als erfreulichen Zufall einstufte, betraf den Faltenwurf aus Zeit und Raum. Er war während seiner Erkundung auf eine jener Abkürzungen gestoßen, wie sie Twikus einmal beim Schuss auf einen hoch fliegenden Tarpun benutzt hatte. Hier handelte es sich um ein schmales »Nadelöhr«, das mitten durch eine der Frauen ging, die ans Haupttor gekettet waren, und dessen Austrittsstelle sich etwa zwei Schritte hinter ihr befand, wo einer der Palastwachen stand. Nicht zum ersten Mal fiel Ergil auf, dass solche unsichtbaren Kanäle genau zwischen zwei Lebewesen verliefen (Twikus hatte seinerzeit ja auch auf Popi gezielt, um den Vogelspion vom Himmel zu holen). Womöglich gab es da einen Zusammenhang, den Múria noch nicht kannte. Ergil nahm sich vor, das Phänomen bei Gelegenheit zu erforschen.
    Während seines Streifzuges durch den Frauenpalast hatte er knapp einhundert Gegner gezählt. Davon befanden sich nur etwa drei Dutzend im Garten. Die Mehrzahl lauerte hinter den Fenstern im Palast. Die Frauen und Kinder saßen, verängstigt aneinander geklammert, im Zentrum des Gebäudes. Im oberen Stockwerk hielten sich nur fünf Personen auf: vier Gardisten und Nishigo.
    Neben all diesen Beobachtungen musste Ergil noch zwei weitere Gesichtspunkte in seine Antwort an den Rebell mit einbeziehen: Erstens fühlte er sich nach wie vor so schlapp wie ein Sack gedroschenen Korns und zweitens hatte er keinen Nisrah dabei, der ihn unterstützen konnte.
    »Zwei Sachen sollte ich noch wissen«, sagte er. »Wann wurde das Dan Saadet errichtet?«
    »Meines Wissens vor ungefähr tausend Jahren.«
    »Aha. Vor tausend Tagen wäre mir zwar lieber gewesen, aber irgendwie schaffe ich das schon. – Gibt es in Ostgard hin und wieder Nebel?«
    Schon die erste Frage hatte Tantabor irritiert, jetzt sah er mehr als nur verwirrt aus. Er wandte sich einem seiner Gefährten zu. »Du bist hier geboren.«
    Der Gefragte war ein kleiner gedrungener Mann mittleren Alters ohne erkennbare Körperbehaarung, aber mit zwei schweren goldenen Ohrringen. Er sagte: »Wir haben hier öfter Nebel, als uns lieb ist. Er kriecht im Frühjahr und Herbst regelmäßig vom Alten Ban in die Gassen der Stadt.«
    Ergil nickte

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