Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Kampflinie. Die Angreifer vergaßen eine Zeit lang anzugreifen und die Verteidiger sich zu verteidigen. Nachdem der erste Schreck überwunden war, zogen die noch lebenden Generäle der Achse schnell ihre Truppen in sichere Stellungen zurück.
»Vermutlich denken sie, wir haben eine neue Geheimwaffe«, brummte Borst. Er befand sich auf der inneren Mauer neben seinem Befehlsstand. Qujibo hatte sich gerade zu ihm gesellt und wirkte vergleichsweise gelassen.
»Ich habe diese Tiere schon einmal im Süden des Stromlandes gesehen, an der Grenze zu Xk. Dort scheinen sie zu Hause zu sein.«
»Im Königreich der Maden? Dann muss das die Wolkenqualle sein, von der Ergil uns berichtet hat. Mir fällt ein Stein vom Herzen! Hätte dieses fliegende Troddelkissen Múria und Jazzar-fajim einfach so verschluckt, dann wäre ich ziemlich sauer gewesen.«
Große Teile des »Troddelkissens« schwebten gerade über dem Burghof. Von der mittlerweile restlos abgebrannten Holztreppe des Knochenturms ging keine Gefahr mehr aus. Die kleineren Brandherde im inneren Verteidigungsring waren inzwischen gelöscht. Gerade setzte eine der Quallententakel eine junge Frau mit feuerroten Haaren ab. Die beiden alten Recken fragten sich, wer diese Quallenreiterin wohl sein mochte.
»Wir sollten uns vielleicht hinunterbegeben und die Ankömmlinge begrüßen«, schlug der Herzog von Bolk vor.
Borst nickte. »Ja. Sollten wir wohl. Aber vorher wollte ich Euch noch etwas sagen, alter Freund. In den letzten Tagen war ich ziemlich beschäftigt und…«
»Spuck’s schon aus, Borst«, sagte Qujibo in ungewohnter Vertrautheit. Der Pandorier betrachtete dies als Einladung, um auch endlich das enge Wams der Förmlichkeit abzustreifen.
»Ich möchte dir danken. Du weißt schon. Wegen Torbas. Als wir beide ihm hier oben etwas vorgespielt haben.«
»Was gibt’s da zu danken? Du hast selbst gesagt, dass du keinerlei Unrecht dulden wirst und jeder das bekäme, was er verdient. Und genauso ist es auch gekommen. Wäre er kein Verräter gewesen, hätte er uns durchschaut. Aber so hat er genau das gehört, was er hören wollte.«
»Wenigstens wissen wir jetzt, dass er der einzige Spion war.«
Einige Atemzüge lang verfolgten die beiden alten Krieger das Schauspiel über dem Burghof. Ohne den Blick davon abzuwenden, sagte Borst: »Múria meint, die Zornissen hätten ihn zum Verräter gemacht. Ich habe ihn bis zuletzt geliebt wie meinen eigenen Sohn.«
»Der treueste Hund kann dir, wenn er Tollwut hat, an die Kehle gehen und dich umbringen.«
»Torbas war ein Mensch, Qujibo. Er hat mir mehrmals das Leben gerettet.«
Der Herzog drückte die Schulter des Pandoriers. »Entschuldige. War nicht so gemeint. Gekämpft hat dein Waffenmeister jedenfalls wie einer von uns. Er dürfte in seinem Tod mehr Feinde erschlagen haben als die meisten anderen auf dieser Burg zu Lebzeiten. Wenn du mich fragst, wird er trotz seines Verrats einen Platz in unseren Heldenliedern bekommen.«
Borst nickte grimmig. »Besser ein tragischer Held als gar keiner…« Seine Augen wurden schmal, während er angestrengt in den Burghof spähte. »Sag mal, ist das Ergil, der da gerade von dem Troddelkissen herabgelassen wird?«
Qujibo konnte auch nicht mehr so gut sehen, aber nach reiflicher Überlegung sagte er: »Seine Kleidung kommt mir ein bisschen exotisch vor, aber sonst würde ich dir zustimmen.«
»Und schau mal da! Der Nächste könnte dein Sohn…« Borst hielt unvermittelt inne, weil Qujibo mit einem Mal herumgewirbelt und losgestürmt war.
Ergil fühlte sich aufgewühlt wie wohl niemals zuvor. Alles wirbelte durcheinander. Er war endlich wieder zu Hause, aber der Geruch des Todes hing über der Sooderburg wie ein Leichentuch. Ihm lächelten vertraute und lange vermisste Gesichter entgegen, doch in deren Augen sah er tiefe Traurigkeit, Erschöpfung und wohl sogar Hoffnungslosigkeit. Es war ein bittersüßer Empfang.
Die dramatischen Ereignisse von Ostgard lagen drei Tage zurück. Nachdem Nisrah und die Argo ihn, Tusan und Nishigo vom Dach des einstürzenden Frauenturmes gerettet hatten, war er völlig erschöpft zusammengebrochen. Tantabor ließ einen Heiler kommen, aber der machte über Ergils Zustand ungefähr genauso unklare Aussagen wie ein Sternendeuter über die Zukunft. Nishigo jagte den Quacksalber weg und nahm sich der Pflege ihres Liebsten selbst an.
Popi spielte vorübergehend mit dem Gedanken, seinem Herrn das Lebenselixier einzuflößen, was sich ja schon einmal
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