Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
als sehr hilfreich erwiesen hatte. Er brachte zu diesem Zweck sogar die Phiole mit dem bernsteinfarbenen Ginkgosaft an sich, wurde aber von den anderen Gefährten überwältigt, die glücklicherweise die Nerven behielten.
Am nächsten Tag ging es Ergil schon besser. Obwohl er aus eigener Kraft nicht einmal auf seinen Beinen stehen konnte, beharrte er auf der Fortsetzung der Reise. Er rief Tantabor zu sich und die zwei tuschelten eine Weile miteinander. In dem Gespräch ging es einerseits um eine möglichst effektive Verwendung des Botenfalken, über den der Rebellenkönig verfügte. Man kam überein, das Tier zunächst nach Susan zu schicken. Am Hof des Mazars gab es einige der gefiederten Meldegänger und von dort könnten Nachrichten an Dormund und die susanische Flotte, an Múria (was Ergil für weniger vorrangig hielt, weil er ohnehin vorher in Soodland eintreffen wollte) sowie an den einen oder anderen Spion geschickt werden, der das Gerücht vom Machtwechsel in Ostrich unter Godebars Truppen ausstreuen konnte. Und nicht zuletzt ließ sich mit dem Falken einem besorgten Vater die Nachricht überbringen, dass es seiner Tochter gut gehe, sie Ergil über alles liebe und ihn bei passender Gelegenheit zu heiraten beabsichtige, sie überdies aus freien Stücken in die Wolkenqualle gestiegen sei und daher kein dringender Bedarf an irgendwelchen Befehlen bestehe, welche die Ermordung des soodländischen Königs zum Inhalt hätten.
Inzwischen hatte sich Ergil gut erholt, sah man einmal von dem mulmigen Gefühl in der Magengrube ab, das ein wenig seinen Elan dämpfte. Dieser unangenehme Druck rührte von seiner Sorge um Nishigo her, die sich noch einmal dramatisch gesteigert hatte, als bei Sonnenaufgang unter der Argo das Schlachtfeld in Sicht kam.
Leider war die Prinzessin in Ostgard nicht zu bewegen gewesen, die Gemeinschaft des Lichts zu verlassen. Sie hatte sich sogar, als Ergil am Abend nach ihrer Rettung wieder auflebte, davongestohlen, war in den Palastgarten geschlichen, wo die Qualle gerade die Grünanlagen abweidete, und hatte sich wie ein Wurm in einem Apfel mit der Nahrung in das Tier befördern lassen. Dort blieb sie dann. Mit bestechender Logik versuchten die männlichen Angehörigen der Gemeinschaft sie zum Aussteigen zu bewegen, aber alle guten Worte waren in den Wind gesprochen. Nishigo hatte sich entschieden, einzig und allein ihrem Herzen zu vertrauen.
»Wenn du mich loswerden willst, Ergil, dann nur mit Gewalt«, sagte sie trotzig. Dazu liebte er sie zu sehr und gab sich geschlagen.
Jetzt bereute er seine Nachgiebigkeit.
Nachdem Múria und Jazzar-fajim vom Knochenturm gerettet worden waren, hatte es zunächst ein freudiges Wiedersehen gegeben. Ergil stellte dem Urgroßoheim die Tochter des Mazars Oramas III. vor. Seine Meisterin begrüßte die Prinzessin mit einer Herzlichkeit, die ihn misstrauisch stimmte.
Das Absetzen im Burghof erfolgte gewohnt routiniert. Weil Ergil die Argo nicht im Bereich des Schlachtfeldes zurücklassen wollte, ließ er sie von Nisrah ins bewaldete Innere der Insel fliegen. Dort hatte sie ausreichend Futter und Schekira würde sie bei Bedarf schnell aufspüren können. Irgendwann würde er sie nach Xk zurückbringen, aber daran war vorerst nicht zu denken.
Während die Wolkenqualle langsam an Höhe gewann, fielen sich im Burghof Freunde und Verwandte in die Arme. Es war herzzerreißend mit anzusehen, wie Qujibo seinem Sohn Tusan die Rippen einzudrücken versuchte und dabei wie ein Schlosshund heulte. Ganz anders Múria. Sie wirkte auf eine anrührende Weise scheu, während sie leise mit ihrem Urgroßvater Harkon Hakennase sprach. Ergil empfand vor allem Dankbarkeit, als er Lohentuvim wiedersah und von der Unterstützung der Sirilim erfuhr. Aber was er in knappen Sätzen über den Verlauf des Krieges erfuhr, beunruhigte ihn zutiefst.
»Wir müssen uns dringend beraten«, sagte Borst. Der Reichsverweser wirkte erleichtert, dem König von Soodland außer einem großen Haufen Scherben dennoch eine wehrtüchtige Festung zurückgeben zu können.
»Später«, antwortete Ergil und seine Hand legte sich um die Phiole mit dem Wasser von Silmao. »Zuerst muss ich das Leben meiner Mutter retten.«
31
KALTES FEUER
Der Anblick seiner Gemächer ließ Ergil schaudern. Nicht, weil darin irgendetwas zerstört worden wäre. Ganz im Gegenteil waren es gerade der Luxus und die Stille, die ihn abstießen. Nur einen Bogenschuss entfernt türmten sich die Leichen.
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