Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
ins Herz treiben wollen). Würde ich sie jetzt einfach fallen lassen, ginge sie vermutlich auch zu Bruch. Aber das Kalte Feuer ist sicherer.«
»Dann wirf es hinein«, sagte Ergil.
Tiko lief zum Kohlenbecken und hielt das Schwert auf den ausgebreiteten Händen darüber. »Bist du sicher?«
»Vernichte es!«, wiederholte der König.
»Halt lieber ein bisschen Abstand, damit du keine Spritzer des Kalten Feuers abbekommst.« Der Schmied ließ erst die Spitze der Klinge in das wabernde Schwarz sinken, dann zog er schnell die andere Hand zurück und das ganze Schwert tauchte ein.
»Gut«, sagte Ergil. Während er zusah und zuhörte, wie das Schwert Schmerz mit zischendem Geräusch verging, verflüchtigte sich auch das Unbehagen, das ihn stets in der Nähe des schwarzen Kristalls geplagt hatte. Doch zugleich kehrte auch das Bewusstsein des riesigen Verlustes zurück, den er gerade erlitten hatte. Sein Kinn sank auf die Brust und er schüttelte verzweifelt den Kopf. Gerne hätte er um seine Mutter geweint, aber seine Seele war zu ausgebrannt, um auch nur eine Träne aufzubringen.
»Wo ist eigentlich die Phiole?«, fragte Tiko unvermittelt.
Ergil hob den Blick. »Soll das ein Scherz sein? Hast du nicht gesehen, dass Kaguan sie in das Kalte Feuer geworfen hat?«
»Beim Allmächtigen! Nein. Ich war… zu abgelenkt.«
»Ich schätze, selbst wenn wir nach Silmao zurückfliegen und das zweite Fläschchen holen, können wir Vania nicht mehr retten. Múria sagte vorhin, die Kälte käme mit aller Macht zurück. Das kann nur eines bedeuten: Meine Mutter stirbt.«
»Halt mal!« Tiko ballte seine Rechte zu einer Faust und klappte, unter Zuhilfenahme des Daumens der anderen Hand, den kleinen Finger wieder auf. »Sie ist eine Sirila.« Er öffnete den Ringfinger. »Und du bist mit der Hälfte deines Blutes, aber bestimmt mit deiner ganzen Kraft ein Sirilo.«
»Worauf willst du hinaus?«, knurrte Ergil. Er fühlte sich selbst von dieser einfachen Aufzählung schon überfordert, weil alles in ihm wie eingefroren war.
Tiko drückte mit dem Daumen den Mittelfinger heraus und fuhr unbeirrt fort: »Dank der Alten Gabe konnte sich deine Mutter im Faltenwurf der Welt einen Schlupfwinkel suchen, um die tödliche Wirkung des Gapagiftes zu verlangsamen.« Nun streckte er den Zeigefinger. »Und du besitzt wie sie die Fähigkeit, Zeit und Raum zu durchqueren. So hast du damals Falgon ins Leben zurückgebracht.« Der Blick des Susaners wanderte zum schwarzen Wabern im Kohlenbecken.
Unbewusst hatte Ergil seinen Daumen abgespreizt und betrachtete ihn nachdenklich. Allmählich begann er zu nicken. Warum war er nicht darauf gekommen? Nun ja, weil er die Nerven verloren hatte, nachdem die Phiole ins Kalte Feuer gefallen war. Er hatte nur das kalte Ziehen des Schwertes gespürt und gewusst, dass er dagegen nicht ankommen konnte, war sich hilflos vorgekommen, weil vor seinen Augen alle Hoffnungen in der schwarzen Wolke vergingen.
Aber jetzt war die Macht des dunklen Kristalls gebrochen.
Ergil trat an den Rand des Kohlenbeckens und streckte den Arm darüber aus.
»Halt! Nicht so! Willst du deine Hand verlieren?«, rief Tiko.
»Dann gib mir eben eine Zange«, antwortete Ergil ungeduldig.
Kopfschüttelnd holte der Schmied das Greifwerkzeug von einem Tisch, auf dem mehrere Schmiedeutensilien lagen.
Ergil nahm es ihm ab und bedankte sich. Dann schloss er die Augen.
Schnell hatte er den Faden der Zeit zurückverfolgt, der ihn zu dem Moment führte, wo die Phiole in das Kalte Feuer gefallen war. Das schwarze Wabern leuchtete nun grün, ebenso wie das darin liegende Gefäß. Nur eine kurze Zeit trennte es von der Gegenwart. Er senkte die Zange und stieß sie behutsam durch die Falte vom Jetzt ins Gerade-eben. Für Tiko musste es so aussehen, als tauche diese mitten in das brodelnde Schwarz. Als sie wieder erschien, klemmte die Phiole zwischen den Backen der Zange.
»Ist sie unbeschädigt?«, erkundigte sich Ergil aufgeregt. Die Frage war nicht ganz unbegründet, weil das Kristallglas nicht mehr klar, sondern milchig aussah.
Tiko beugte sich über das Fläschchen, sorgsam darauf bedacht, es nicht mit der Nasenspitze zu berühren. »Die Flüssigkeit da drin ist jedenfalls gelblich. Und die Wachsversiegelung scheint auch keinen Schaden genommen zu haben.« Er richtete sich wieder auf, strahlte seinen Freund an und bemerkte: »Meiner belanglosen Meinung nach hast du es genau im richtigen Moment aus dem Kalten Feuer
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