Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
zerbrach. Der hünenhafte Pandorier trat hinter ihn, umfasste seinen Leib und hob ihn unter einigem Ächzen in die Höhe. Ergil bewunderte Borsts körperliche Kraft. Das ganze Getue um seine Altherrenleiden war augenscheinlich immer nur Theater gewesen.
Borst drehte Godebar herum und schüttelte ihn ordentlich durch. Mit einem Mal war ein Zischen zu hören, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Der König von Ostrich erschlaffte. Borst merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Keuchend ließ er seine Last zu Boden sinken.
Betroffen sahen alle auf den fetten König herab. Ein Pfeil steckte in seiner Brust. Er war durch eine Schießscharte hereingeflogen. Dem Gefieder nach handelte es sich um ein ostrichisches Geschoss.
Die Schlacht um den letzten Wall der Sooderburg wurde bis zum Abend mit unverminderter Heftigkeit fortgeführt. Um sich etwas Luft zu verschaffen, hatte Borst eine Maßnahme vorgeschlagen, die in dem im Nordostturm tagenden Kriegsrat nicht nur Zustimmung fand. Vor allem Ergil und Múria sprachen sich dagegen aus, Godebars Leichnam außen an der Mauer aufzuhängen. Sie fanden es schändlich.
»Was ist Euch lieber, Majestät, der Tod vieler braver Männer oder die schmähliche Zurschaustellung eines toten Königs, der zu Lebzeiten von seinem Volk gehasst wurde, weil er gemordet, geschändet und zahllose Menschen um ihre Existenz gebracht hat?«
Ergil wusste darauf nichts zu antworten. Er hatte Godebar wahrhaft nicht geschätzt, aber trotzdem fühlte er sich schuldig an seinem Tod.
Qujibo kraulte sich im Kinnbart. »Ich bin auch dafür, tapfere Krieger in Ehren zu begraben, selbst wenn sie auf der Gegenseite gekämpft haben. Aber trotzdem muss ich Borst in diesem Fall Recht geben. Einerseits kenne ich keine einzige Geschichte – auch nicht während dieses Krieges –, die von Godebars Mut berichtet. In seiner feigen Hinterhältigkeit ist er wie Entrin. Und andererseits könnte es die einfachen Soldaten aus Ostrich ziemlich beeindrucken, wenn wir ihnen zeigen, wozu wir imstande sind.«
Tusan stimmte seinem Vater mit einem Nicken zu.
Ergil sagte: »Wir haben einen Brief in Godebars Zelt zurückgelassen. Wenn seine Generäle ihn lesen, wissen sie, wohin ihr König verschwunden ist. Außerdem erfahren sie aus dieser Mitteilung, dass inzwischen Tantabor in ihrer Heimat regiert und jeden hart bestrafen wird, der gegen Soodland das Schwert zieht. Eigentlich müsste das doch genügen, um ihre Kampfmoral zu untergraben, oder?«
»Wird nicht einer von Godebars Getreuen den Brief zuerst finden? Was ist, wenn er ihn verschwinden lässt?«, wandte Borst ein.
Am Ende lief es darauf hinaus, dass Ergil sich der Erfahrung des Pandoriers beugte. Borst hatte im Soodlandkrieg aus mancher verzweifelten Lage das Beste gemacht. Es wäre nicht richtig gewesen, seine Autorität ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt infrage zu stellen.
So endete der einst stolze König von Ostrich als abschreckendes Beispiel an der Außenmauer des letzten Verteidigungsringes.
Danach ruhte die Schlacht fast bis zum nächsten Morgen.
Durch Lügen und Täuschung hatten es Entrin und Hjalgord geschafft, die Angst ihrer Soldaten in trotzigen Zorn umzuwandeln. Der im Fackellicht vorgenommene Sturm war in seiner Heftigkeit beispiellos. Hunderte von Sturmleitern wurden gegen die Mauer geworfen. Zahllose Brandgeschosse brachten eine feurige Saat über die Festung aus. Fast pausenlos flogen Pfeile so dicht wie große Starenschwärme durch die Luft. Das Haupttor brannte. Trotzdem droschen drei Rammböcke gleichzeitig darauf ein.
»Wir sollten uns zurückziehen, ehe sie in den Innenhof einfallen«, erklärte Borst dem jungen König. Gerade ging die Sonne auf.
Ergil hatte kurz vorher von der Spitze des Knochenturms sehnsüchtig nach Norden geblickt, aber nur die Segel der Belagerer ausmachen können. Von Susans Flotte fehlte nach wie vor jede Spur. Er fügte sich dem Druck der Umstände. »Ich bin Eurer Meinung, Borst. Ziehen wir uns in die Klippe zurück. Unsere Gegner werden keine Gelegenheit haben, ihren Sieg zu genießen. Dafür werde ich mit meiner letzten Überraschung schon sorgen.«
»Wollt Ihr das wirklich tun, Majestät?«
Der junge König nickte mit ausdrucksloser Miene.
Kurz darauf stand er mit Popi und zwei von Lohentuvims Sirilimkriegern im Burghof. Die anderen Gefährten waren größtenteils auf den Mauern verteilt, um den geordneten Rückzug zu überwachen. Schekira suchte nach Entrin und Hjalgord – vielleicht konnte
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