Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
man der Achsenherren ja doch noch habhaft werden. Harkon hatte sich von seiner Urenkelin dazu überreden lassen, in der Halle des schlafenden Glanzes den Schutz der Königinmutter und der Prinzessin von Susan zu übernehmen. Múria selbst kümmerte sich um die Verletzten.
Während die beiden Sirilim Ergil und seinen Ratgeber-Kammerdiener-Adjutanten vor Geschossen aller Art schützten, überprüfte der König das Werk der Wandellinge. Die Zimmermannsschoten hatten sich seit dem Vormittag des vergangenen Tages zu etwas ausgewachsen, das wie ein rechteckiges Podest anmutete. Die Farbe entsprach, aus gutem Grund, jener des Knochenturms. Ergil kletterte auf die »Bühne« und ließ seinen Willen hineinfließen. Mit einem Mal begann die Plattform in die Höhe zu wachsen und sich gleichzeitig um den Turm zu winden wie eine Schlange, die an einem Stab emporklettert. Unter ihm entfaltete sich etwas, das anfangs wie ein Leporello aussah, aber als der wie bei einem Blasebalg zusammengefaltete Körper an der Schwelle des Turmeingangs zum Halten kam, sah man eine breite Treppe.
»Au Backe, das hätte ich jetzt nicht gedacht«, staunte Popi im Burghof.
Ergil kam die Stufen hinab und bedeutete den beiden Sirilim, die Treppe mit der alten Gabe vor Brandgeschossen zu schützen.
Vom Tor hörte man ein rhythmisches Krachen wie von einer riesigen Kriegstrommel. Bisher hatten die Angreifer mit ihren drei Rammböcken willkürlich auf das Tor eingehämmert, doch jetzt musste irgendein gescheiter Anführer einen Gleichtakt befohlen haben.
»Uns bleibt nicht mehr viel Zeit«, rief Ergil seinem Freund zu. »Ich sehe nach, wie’s mit dem Rückzug am Südwestabschnitt der Mauer vorangeht. Nimm du dir die andere Seite vor. Aber bitte Popi, benutze deinen Schild – ich möchte dich nicht als Spickbraten Wiedersehen. Sag jedem, den du triffst, dass er über die Treppe in den Turm fliehen soll. Wir treffen uns später in der Halle des schlafenden Glanzes.«
Popi machte ein nicht eben glückliches Gesicht, gehorchte aber. Er hielt sich seinen Langschild über den Kopf und lief zu einem der Wehrtürme, durch die man auf die Mauerkrone gelangte.
Ergil wandte sich nach links und lief um die rauchenden Ruinen des Labyrinthpalastes herum. Wenig später stieg auch er durch einen der Verteidigungstürme zur Mauer empor. Von oben kamen ihm ununterbrochen Soldaten entgegen. Wann immer ihm Sirilim begegneten, bat er sie um ihre Unterstützung beim Schutz der Fliehenden.
Endlich erreichte er die Mauerkrone. Um sich gegen den Beschuss zu schützen, bat er Nisrah um Hilfe.
Ich spanne mit meinen Sinnen ein loses Netz, das mich warnt, wenn wir zwei angegriffen werden. Wenn du dich darauf konzentrierst, kann ich meine Aufmerksamkeit anderen Dingen widmen.
Netz?, echote der Weberknecht. Klingt wie Musik in meinem Lebensknoten. Dann will ich mal die Spinne spielen, die an den Fäden lauscht. Ich melde mich, wenn Gefahr im Verzug ist.
Ergil bedankte sich und ließ seinen Blick über den hufeisenförmigen Südwestabschnitt der Mauer schweifen. Etwa einen halben Bogenschuss von ihm entfernt ragte ein weiterer Wehrturm auf. Dahinter setzte sich der Wall noch einmal so weit fort, bis er in einem abschließenden Schalenturm über der Klippe endete. Auf diesem Teilstück sah er Recken aus Kimor, die mit ihren Langschwertern auf Säbel ostrichischer Soldaten einhieben.
»Ergil! Ist das vernünftig, dich hier oben blicken zu lassen?«
Der König wandte sich dem jungen Mann zu, der sich so um sein Wohl sorgte. Es war Tiko. Auch der Bartarin schützte sich mit einem schweren Langschild gegen die Pfeilschwärme. Er sah müde aus, hatte er sich doch trotz der Strapazen in der Schmiede nicht geschont. Ergil antwortete: »Ich bin nicht wie Godebar oder Entrin. Mir liegt viel am Wohl jedes einzelnen meiner Männer. Bist du in Ordnung?«
Tiko klopfte mit der freien Hand auf den Bogen, den er sich um die Brust gehängt hatte. »Ich kämpfe, solange Atem in mir ist.«
Der König verdrehte die Augen zum Himmel. »So eine Antwort kann nur von einem Susaner kommen. Was macht der Rückzug?«
»Ich habe König Borsts Befehle weitergegeben. Die Männer rücken zuerst von den äußeren Enden der Mauer ab, damit wir unsere Kräfte bei den Wehrtürmen in der Mitte zusammenziehen können. Natürlich nutzt der Feind diese Blöße. Es gibt bereits die ersten Kämpfe auf den Wehrgängen.«
»Ich hab es gesehen.«
»Lange können wir diesem Ansturm nicht mehr…«
Angriff von
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