Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Umschweife das Verhör.
Der Mann funkelte ihn nur böse an.
»Was hattest du in der Schenke verloren?«, probierte der König es andersherum.
»Iltiskampf«, antwortete der Fremde.
»Ich glaube dir nicht.«
Der Schwarzbart zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht mein Problem.«
Ergil bemerkte, wie Popi aufbegehren wollte, hielt ihn aber mit einer Handbewegung zurück. Abermals versuchte er an den Verstand des Gefangenen zu appellieren.
»Wie ein Kimorer siehst du nicht gerade aus. Die meisten sind blond oder rothaarig, wie ich eben bei meinem Rundgang durchs Hafenviertel feststellen konnte. Du trägst zwar deren Tracht, hast aber einen schwarzen Schopf. Stammst du aus Ostrich?«
Keine Antwort.
»Was hat Gondo hier gewollt?«
Im Gesicht des Mannes zuckte es.
Ergil lächelte. »Du kennst den Zwergling also.«
»Eher bellt ein Grottenhund, als dass ich etwas sage«, geiferte der in die Enge Getriebene.
»Das ist eine pandorische Redewendung. Also ist er Pandorier«, bemerkte Popi.
Ergil ballte die Fäuste. Die Vorstellung machte ihn wütend, schon entdeckt worden zu sein, ehe die Expedition richtig begonnen hatte. Er war drauf und dran, vom Zorn mitgerissen zu werden, als sich plötzlich Nisrahs beschwörende Gedankenstimme meldete.
Nicht doch, mein lieber Gespinstling! Denk an Múrias Worte und beherrsche dich.
Ausgerechnet du musst das sagen?, erboste sich Ergil. Dieser Schurke ist Gondos Komplize. Genau wie der Mann, den du im Meer der Zungen angefallen und verdaut hast.
Das tat ich nur, um dich und deine Gefährten vor seiner Klinge zu retten. Hier bist du dir selbst die größte Gefahr, lieber Freund. Lass dich von den Gefühlsfressern nicht aufreizen.
Nisrahs Warnung vor den Zornissen war gerade noch rechtzeitig gekommen, um das Schlimmste zu verhindern. Ergil atmete tief durch. Dabei bemerkte er, wie der Gefangene ihn aus den Augenwinkeln beobachtete. Vermutlich war der stille Dialog mit dem Weberknecht nicht unbemerkt geblieben. Um von sich selbst abzulenken, sagte der König: »Wie es scheint, arbeiten sogar die Schurken von Ostrich und Pandorien einträchtig zusammen. Ihr zwei seid Spione, habe ich Recht?«
Der Mann stellte sich stur.
»Sprich endlich, sonst…!« Ergil schluckte.
Ganz ruhig!, mahnte Nisrah aus dem Hintergrund. Benutze deinen Verstand und die Alte Gabe.
»Ihr könnt mich töten, wenn Ihr wollt, aber erfahren tut Ihr von mir nichts«, knurrte der Pandorier.
Die Hand des Königs wanderte zum Dolchgriff. Er empfand das unbändige Verlangen, die Waffe zu ziehen und auf den leichtfertigen Vorschlag des Halunken einzugehen. Ergil schloss die Augen. Er spürte, wie er schwankte. Es sind die Zornissen, machte er sich klar. Sie wollen dir deinen Willen rauben. Bleib besonnen! Gewaltsam zwang er sich dazu, Nisrahs Mahnung in den Mittelpunkt seiner Gedanken zu rücken und alle dunklen Gefühle an den Rand zu drängen. So gewann er allmählich die Kontrolle über sich selbst zurück.
Mit einem Mal musste er lächeln. Er sah Gondos Komplizen wieder an und sagte fast heiter: »Nein. Vor lauter Spionieren bist du bestimmt noch nicht zum Essen gekommen. Ich werde deinen Hunger stillen.«
Er hatte zuvor im Dreck ein Stück Brot liegen sehen, der Rest von einem Kanten. Mit zwei Schritten war er bei dem Fund und hob ihn auf. Der graubraune Teig war stellenweise schon mit Schimmel bewachsen. Kein besonders appetitlicher Anblick. Der König kehrte zu dem Gefangenen zurück und sah ihn durchdringend an.
»Dein Name ist Merbert, nicht wahr?«
Der Mann erschrak.
Ergil lächelte zufrieden. Ich kann es noch, Nisrah!
Gut so! Am wahren Namen des Schurken finden die Zornissen keinen Geschmack, nur wenn du die Beherrschung verlierst, wirst du sie beglücken. Bleib weiter gelassen.
Der König hielt Merbert das Backwerk hin. »Hier.«
»Was soll ich damit?«, fragte der angewidert.
»Es dir schmecken lassen.«
»Ich bin kein Schwein, dass ich Küchenabfälle fressen würde.«
Obwohl sich eine gewisse Ähnlichkeit des Mannes mit einem Wildschweineber nicht abstreiten ließ, verkniff sich Ergil eine entsprechende Bemerkung und sagte stattdessen drohend: »Nimm es!«
Der Pandorier griff mit spitzen Fingern nach dem Kanten.
»Schau es dir genau an, Merbert.«
»Wozu?«
»Das Brot bist du.«
»Verhöhnen kann ich mich selbst, Herr.«
»Tu, was ich dir befehle! Ich will dir etwas deutlich machen, damit du verstehst, was gleich mit dir geschehen wird.«
Argwohn und ein Anflug von Furcht
Weitere Kostenlose Bücher