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Mirad 03 - Das Wasser von Silmao

Titel: Mirad 03 - Das Wasser von Silmao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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in diesen fremden Geist vor, der sich mit Begriffen wie Pflanze, Tier, Mensch oder Sirilim nicht einordnen ließ. Die Silberginkgo vereinte in sich ein wenig von allen und doch war sie von ihnen grundverschieden.
    Am meisten ähnelte sie Soldina, jenem »Meer der Zungen«, in dem der Zwergling Gondo und seine Räuberbande einige ziemlich ungemütliche Wochen zugebracht haben dürften. Allerdings hatte Ergil mit dem kindlich übermütigen Wald, den man auch Gelbsee nannte, wie mit Nisrah reden können, was bei der Silberginkgo so nicht möglich war. Vielmehr glich jedes Gespräch mit ihr eher dem Austausch von Bildern, die mit den Farben der Gefühle gemalt worden waren. Deshalb konnte das Schiff wohl auch auf die Wünsche von Seeleuten wie Bombo oder Engwin reagieren – wenn es Lust dazu hatte.
    Zumindest Ergil wurde immer sicherer darin, Jazzar-sirils Schiff zu manövrieren. Ja, er hatte sogar den Eindruck, die Silberginkgo mochte ihn und gehorchte ihm, weil sie ihn nicht enttäuschen wollte. Mit der Unterwürfigkeit war das allerdings so eine Sache, wie sich erst am Morgen gezeigt hatte.
    Es war der zweite Tag seit dem Auslaufen aus Kimsborg. Dichter Nebel hatte die Sicht behindert. Unvermittelt meldete der Ausguck einen Eisberg voraus. Ehe Engwin im Ruderhaus an dem silbernen Hebel ziehen konnte, mit dem das große Schiff gesteuert wurde, leitete dieses ganz von selbst ein Ausweichmanöver ein. Einen bangen Moment lang krängte die Silberginkgo, sie lag gefährlich schräg. Ergil konnte in den Beinen spüren, wie sie sich mit kräftigen Schlägen der Kielflosse aus der Gefahrenzone brachte. Dem großzügigen Sicherheitsabstand zum Hindernis nach zu urteilen, gab es auch unter der Wasserlinie Eisvorsprünge, die ihren Rumpf hätten aufschlitzen können. Unbeschadet ließ das Schiff den weißen Riesen hinter sich.
    Später hatten die Sonnenstrahlen den Nebel vertrieben und mehr Eisberge waren erschienen. Zunehmend trieben auch die besagten Scholleninseln im Wasser. Schon jetzt zwang Bombo die Silberginkgo in einen Zickzackkurs, um den größeren Hindernissen auszuweichen. Plötzlich drang abermals die Stimme aus dem Krähennest ans Ohr des Königs.
    »Packeis voraus!«
    Ergil spähte zum Horizont. Der schräge Blick über die im Sonnenlicht gleißenden Schollen machte es schwer, die gemeldete Gefahr zu erkennen. Laute Stimmen hallten über das Deck, die aber alles andere als aufgeregt klangen. Bombos Männer waren aufeinander eingespielt. Jeder Handgriff saß. Einige Seeleute kletterten in die Wanten. Bombo gab Befehl zum Backbrassen: Die Segel wurden gegen den Wind gestellt, um Fahrt aus dem Schiff zu nehmen. Merkwürdigerweise gefiel der Silberginkgo dieses emsige Treiben überhaupt nicht. Ergil glaubte zu spüren, dass sie am liebsten weiter auf die kompakte Masse aus aufgetürmten Eisschollen zugelaufen wäre. Zuletzt näherte sie sich sehr langsam der in der Sonne glitzernden Barriere, bis Bombo beidrehen ließ und den Viermaster nur einen Steinwurf weit längsseits zur Eiskante zum Stehen brachte.
    Inzwischen hatte sich Ergil mittschiffs mit den anderen Gefährten versammelt. Schekira saß in Gestalt einer Schneeeule auf seiner Schulter. Der Kapitän brachte seinen Unmut lautstark zu Gehör.
    »Ich fass es nicht! Wir sind kaum zwei Tage auf See und stoßen schon auf Eis.«
    »Das ewige Eis des Nordens so weit südlich?«, murmelte Tusan nur. Seine Augen suchten die weiße Fläche ab, als könne auch er nicht glauben, was er sah.
    »Früher habe ich so was in Elderland oft erlebt. Allerdings erst im Herbst«, gab Popi zu bedenken.
    »Die Witterung ändert sich«, sagte Ergil. »Wenn es auf der Insel Soodland kälter wird, muss sich zwangsläufig auch die Grenze des ewigen Eises nach Süden verschieben.«
    Tusan riss sich endlich von dem Geglitzer los und sah den König mit ernster Miene an. »Ich hoffte, du bist dir darüber im Klaren, was das für uns bedeutet. Wir sind viel früher als erwartet auf unsere Schlittenwölfe und die Gespanne angewiesen. Zwischen hier und dem Weltenbruch dürften ungefähr zweitausend Meilen Eis liegen. Und was danach kommt, ist ungewiss.«
    »Wenn wir nicht alle wie Harkon Hakennase enden wollen, dann sollten wir das Unternehmen abbrechen«, brummte Engwin. Der Steuermann blickte finster drein, als bereite es ihm körperliche Qualen, aussprechen zu müssen, was wohl alle dachten. Alle außer Ergil.
    »Ich habe da so ein merkwürdiges Gefühl.«
    Etliche Augenpaare musterten ihn,

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