Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
streifte sein Blick in den tiefer liegenden Regionen der wogenden Menge ein hässliches Gesicht, wanderte aber noch ein kurzes Stück weiter, ehe sein Bewusstsein Alarm schlug und er wieder zum Eigentümer der Fratze zurückkehrte.
Es handelte sich um einen gnomenhaften Wicht, der nicht das geringste Interesse an dem blutigen Spektakel zeigte. Einen unwirklichen Moment lang glaubte der König, die auf ihn gerichteten bärlauchgrünen Augen wollten ihn hypnotisieren. Aber dann wandte sich ihr Besitzer ab und verschwand in der Masse.
»Gondo!«, stieß Ergil hervor. Er spürte, wie sich Zorn in ihm regte.
Tiko sah ihn verwundert an. Popi, der den kleinen Räuberhauptmann kannte, spähte in die Menge.
Der König deutete auf die Stelle, wo eben noch der Kleine gestanden hatte. »Da war gerade ein Zwergling, der mich erkannt hat. Ich habe mit ihm noch ein Hühnchen zu rupfen. Er darf auf keinen Fall nach draußen entkommen.«
»Zwergling?«, echote Tiko.
»Halb Wagg, halb Zwerg«, sagte Popi.
»Gesicht voller Warzen, lange spitze Nase und auffallend grüne Augen«, vervollständigte Ergil den Steckbrief. Dann schwärmten die drei auch schon aus.
Tiko bahnte sich einen Weg zur Vordertür, seine Hand lag auf dem Griff von Biberschwanz, um das Breitschwert notfalls schnell ziehen zu können. Popi stürzte sich mitten ins Gewühl. Und Ergil brüllte über den Schanktisch: »Hinterausgang?«
Der Wirt zuckte zusammen und starrte entgeistert in die unerbittliche Miene des Fremden. Offenbar hatte er dem jungen Mann, der nicht einmal das kimorische Bier zu schätzen wusste, so viel Durchsetzungskraft nicht zugetraut. Mit ausgestrecktem Arm deutete er zu einer Stelle links von sich. Als er die Hand endlich sinken ließ, war der merkwürdige Gast längst in der Menge verschwunden.
Ergil musste alle Kraft aufwenden, um sich einen Weg durch die Wettkampfbeobachter zu bahnen. Während er nach dem Zwergling Ausschau hielt, fiel sein Blick erneut in die Arena. Der schwarzbraune Ratz arbeitete sich gerade durch die Eingeweide seines offensichtlich toten Gegners. Sogar daran fand die alkoholisierte Meute noch Gefallen. Voller Ekel suchte Ergil weiter nach dem kleinen Bastard, dem er einige ziemlich unbequeme Stunden im Meer der Zungen zu verdanken hatte. Plötzlich hörte er links von sich zwei kurze Pfiffe, die sich in ihrer Schrillheit deutlich aus dem allgemeinen Lärm abhoben. Seine Augen suchten nach dem Urheber des Zeichens. Und dann entdeckten sie ihn.
Gondo hatte gerade die Hintertür erreicht.
»Verdammt!«, zischte Ergil und biss sich auf die Unterlippe. Allein der Gedanke an den boshaften kleinen Bastard und seine Räuberbande schürte das Verlangen nach Rache in ihm, dunkle Gefühle, die er sich nicht leisten konnte.
Mit beiden Armen kämpfte er sich zur Rückwand des Schankraumes durch. Die Tür stand noch offen. Er blickte auf eine schmale, schlammige Gasse hinab. Von Gondo fehlte jede Spur. Trotzdem lief Ergil hinaus bis zur nächsten Querstraße. Atemlos sah er nach rechts und links. Es herrschte ein reger Betrieb, aber der Zwergling war wie vom Erdboden verschluckt. Mürrisch machte Ergil kehrt. Am liebsten hätte er lautstark geflucht, doch er musste an Múrias Warnung denken, er dürfte seinen Gefühlen nicht mehr trauen. Jeder wütende Ausbruch würde die Zornissen wachsen lassen.
Er hatte die Treppe am Hinterausgang des Durstigen Herings noch nicht wieder erreicht, als in der offenen Tür unvermittelt Tiko und Popi erschienen. Zwischen sich hatten sie einen hageren, schmutzigen Kerl eingeklemmt, der kaum größer als Gondo war. Mit ihren Dolchen hielten sie ihn in Schach. Er trug die landestypische zottige Tracht. Sein schwarzer Haarschopf wie auch der löchrige Bart sahen aus, als seien sie aus demselben räudigen Pelz gefertigt.
»Das ist er nicht«, rief Ergil den Gefährten zu.
»Schon klar«, antwortete Popi. »Aber du hättest die Reaktion dieses Burschen hier sehen sollen, als irgendjemand gepfiffen hat. Mir kam’s wie eine Warnung vor und er ist sofort drauf angesprungen. Da gab ich Tiko einen Wink und wir haben ihn uns vorsorglich geschnappt.«
Inzwischen standen alle im Freien. Drei hölzerne Stufen führten in den Schlamm der Gasse hinab. Tiko schloss die Tür und zog demonstrativ sein Breitschwert aus der Scheide. Ergils Jungritter bedeutete dem Gefangenen sich auf die Treppe zu setzen. Dieser gehorchte mit grimmiger Miene, aber ohne Gegenwehr.
»Wie lautet dein Name?«, begann Ergil ohne
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