Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
ein Enkelkind?«
»Ja. Im Stromland ist sie als die ›Herrin der Seeigelwarte‹ bekannt, aber ihr richtiger Name lautet Múria.«
»So hieß meine Großmutter!«, kreischte der kleine Alte vor Freude. »Ihr scheint tatsächlich die Wahrheit zu reden. Aber sagt, wenn Ihr eine Amme hattet, müsst Ihr aus gutem Hause stammen. Wer war Euer Vater?«
»Sein Name wird Euch nichts sagen, weil er geboren wurde, lange nachdem Ihr und Euer Schiff verschollen seid. Er war Torlund, Grinwalds Sohn, der König von Soodland und Großkönig der sechs Reiche.«
»Dann seid Ihr ja ein Prinz!« Jetzt war es an Harkon, zu staunen.
»Ich bin meinem Vater auf den Thron gefolgt«, erklärte Ergil ohne jede Eitelkeit.
»So jung und schon ein König?«, wunderte sich Harkon.
Und da erzählte Ergil seine Geschichte. Wie alles in der Schlacht um Sooderburg und mit der Ermordung seines Vaters begann, wie Wikander ein schmachvolles Ende fand, wie Magos von Mirad vertrieben wurde, wie der überlebende Sirilimzwilling seine sterbende Mutter in der Zwischenwelt entdeckt hatte und wie die Gemeinschaft des Lichts aufgebrochen war, um ein Lebenselixier zur Rettung Vanias zu finden. Und wie sie den Schläfer im Eis entdeckt hatten.
»Glücklicherweise haben wir zufällig genau das Richtige getan, als wir den Ofen anheizten«, schloss Ergil seinen Bericht. »Warum habt Ihr keinen Hinweis hinterlassen?«
»Aber das habe ich doch«, erwiderte Harkon Hakennase verwundert und zog einen Zettel aus einer Außentasche seiner Jacke hervor.
14
DER EINFALL
Während Gondo vor dem pandorischen Heer herzog, wünschte er sich, er wäre ein Herzog. König Entrin hatte ihn jedoch weder mit einem Adelstitel noch mit einem Lehen belohnt, sondern lediglich mit dem Kommando über eine vierhundert Mann starke Kohorte. Freilich konnte niemand in der riesigen Armee den Umstand leugnen, dass er der kleinste Truppführer Pandoriens war.
Obwohl diese Einzigartigkeit den Zwergling hätte aufmuntern müssen, wollte bei ihm keine Freude aufkommen. Seit einem Monat hatte er ununterbrochen schlechte Laune. Ungefähr genauso lange zog er mit seinem bunt zusammengewürfelten Haufen aus Söldnern durch Soodland. Und bekam immer nur die Brosamen, die vom Tisch der großen Feldherren abfielen. Während die vereinigten Heere von Ostrich und Pandorien nach Herzenslust plündern durften, mussten seine Männer und er sich vor allem unauffällig verhalten. Wie sollte man ein Dorf brandschatzen, ohne dabei aufzufallen? Alle naselang schickte der mittlerweile zum General aufgestiegene Graf Waltran die Kohorte in sämtliche Himmelsrichtungen, meist um die Gegend auszukundschaften. Oder sie zogen durch Landstriche, die längst »abgeerntet« waren. Gondos Missmut wuchs von Tag zu Tag. Es munterte ihn auch wenig auf, wenn er von längst verlassenen und zerstörten Dörfern hörte, in denen ohnehin kaum noch etwas zu holen war. Dieses Volk schien aus lauter Feiglingen zu bestehen.
Immerhin gab es einen schwachen Trost für ihn, eine Flamme der Hoffnung, die ihn zum Durchhalten anspornte, anstatt einfach zu desertieren, um wieder in die Berge von Harim-zedojim heimzukehren: Die süßesten Rosinen im großen Kuchen von Soodland hatte noch niemand genascht. Bald würde es darangehen, die Sooderburg einzunehmen. Und dann würde er sich, so wahr er Gondo hieß, seinen Anteil sichern.
Der König von Soodland hatte die Geschicke seines Reiches drei Personen anbefohlen: Múria, Borst und seinem Ersten Kanzler Halbart. Die drei standen auf der Zinne der Sooderburg und blickten nach Osten. Torbas, der Adjutant des ehemaligen pandorischen Königs, befand sich ebenfalls auf dem Wehrgang, allerdings weit genug abseits, um die Gespräche der Regenten nicht hören zu können.
»Danke, dass ihr gekommen seid«, eröffnete die Geschichtsschreiberin die Unterredung. Inzwischen herrschte unter den dreien ein zwar respektvoller, aber ungezwungener Umgangston.
»Es ist windig und ziemlich frisch hier oben«, brummte der hünenhafte Pandorier. »Du weißt, dass meine morschen Knochen keinen Zug vertragen, Múria. Hätten wir unsere Besprechung nicht im Palast abhalten können?«
Sie lächelte zuckersüß. »Du solltest nicht zu oft mit deinem Alter kokettieren, mein lieber Borst. So etwas nützt sich schnell ab und man könnte bemerken, dass du noch besser beieinander bist, als du uns immer glauben machen möchtest.«
Halbart Bookson zupfte sich am grauen Schnurrbart. »Mir
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