Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Zwischen diesen einzelnen Phasen der Wiederbelebung ächzte und stöhnte er immer wieder oder sagte Dinge wie: »Beim Herrn der himmlischen Lichter, das tut weh!«
Diese Übungen dauerten lange genug, um den Gefährten Gelegenheit zur Wiedererlangung ihrer Fassung zu geben. Inzwischen umzingelten sie auch nicht mehr den bullernden Ofen, sondern den Abenteurer. Ergil stotterte eine Frage.
»W-was… was ist… passiert?«
Erkennbar gab sich der Erwachte Mühe, seinen gequälten Gesichtsausdruck mit einem verschmitzten Lächeln zu vertreiben. »Ich muss wohl ein Weilchen geschlafen haben. Mein Name ist Harkon Hakennase. Hättet Ihr die Güte, mir auch den Euren zu verraten?«
»Ich bin Ergil von Sooderburg.«
Die buschigen roten Augenbrauen des kleinen Abenteurers hoben sich. »Sehr erfreut, Euch kennen zu lernen. Also seid Ihr ein Soodländer? Dem Aussehen nach hätte ich Euch eher für einen Sirilo gehalten. So wie diesen ehrenwerten Herrn da.« Harkon deutete auf Jazzar-fajim.
Ergil stellte seine Freunde einen nach dem anderen vor, wobei er die Schneeeule und seinen Umhang vorerst unberücksichtigt ließ – er wusste nicht, wie belastbar die alte Hakennase schon wieder war. Anschließend verfiel er ins Schwärmen und ließ den Forschungsreisenden wissen, wie sehr er ihn schon als kleiner Junge bewundert habe. Das gefiel Harkon, schien ihn geradezu auf seinem Stuhl wachsen zu lassen. Dann stellte der König die Frage, die allen auf den Nägeln brannte.
»Was ist hier passiert?«
Anders als in seinen Reiseberichten, die für ihre Blumigkeit bekannt sind, beschränkte sich der Abenteurer in seiner Antwort auf das Wesentliche: Erst sei die Mannschaft an einem rätselhaften Fieber erkrankt und dann habe das Eis die Bark umschlossen. Die Männer starben wie die Fliegen. Einer der Letzten war der tapfere susanische Kapitän. Er sei, während er am Horizont nach einem Hoffnungsschimmer Ausschau hielt, stehenden Fußes eingefroren, als ein unheimlicher Eiswind ihn an der Reling überraschte. Schlussendlich war nur noch Harkon übrig gewesen.
Ohne Aussicht auf Rettung habe er zum letzten Mittel gegriffen und einen Trunk geschluckt, welcher aus einem Körpersaft der Xk gewonnen worden war. Damit trockneten sich die Madenwesen innerlich aus, wenn die eisigen Fallwinde aus dem Weltenbruch ihr von der Wärme verwöhntes Reich alle hundert Jahre heimsuchten. Der nächste Regen weckte sie dann wieder auf. Durch den Trunk sei auch er, Harkon, in einen Zustand gefallen, in welchem sein Körper zwar einfrieren, aber vom Frost nicht zerstört werden konnte.
Er habe, räumte der Abenteurer ein, diesen verzweifelten Schritt gewagt, obwohl er wusste, dass er als Schläfer im Eis nur auf eine Art und Weise wiedererweckt werden konnte: durch Wasser. Nicht gefrorenes, wohlgemerkt, sondern flüssiges Wasser! Sein Plan sei einfach, aber genial gewesen, lobte Harkon sich selbst. Er habe gehofft, mit dem Eis in wärmere Gefilde getrieben zu werden. Sobald die Temperaturen über den Gefrierpunkt gestiegen wären, hätte der Schnee über seinem Kopf schmelzen und die Feuchtigkeit durch den Stoff sickern müssen. So wäre er von Wasser benetzt und wiederbelebt worden.
Ergil schüttelte den Kopf. »Unglaublich! Diese Geschichte hört sich wie eine Harkoniade an, aber sie ist wahr.«
»Harkoniade?«, wunderte sich der Abenteurer. »Was soll das sein?«
»Ein Lügenmärchen.«
Harkon schnappte nach Luft, sprang samt Stuhl auf und schrie vor Schmerz. »Au, tut das weh! Anscheinend sind meine Knochen noch nicht ganz aufgetaut.« Nachdem er seine in Unordnung geratenen Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte, versicherte er: »Alle meine Reiseberichte sind wahr.«
»Alle?«, staunte Tusan.
»Aber ja doch, verehrter Landsmann.« Harkon zog eine Grimasse, als habe der Frost wieder zugestochen, machte eine kreisende Bewegung mit der gespreizten Hand und räumte ein: »Hier und da habe ich vielleicht ein wenig ausgeschmückt, um meine Berichte farbiger zu gestalten, aber im Wesentlichen hat sich alles genau so zugetragen, wie es in meinen Büchern steht.«
Ergils Herz machte einen Sprung. »Dann ist meine Hoffnung, Ihr könntet mir helfen, vielleicht doch nicht ganz unbegründet gewesen.«
Harkon nestelte an dem Knoten herum, damit er endlich den Stuhl loswurde. »Euch helfen? Wobei?«
»Meine ehemalige Amme hat mich in dem Vorhaben bestärkt. Habe ich schon erwähnt, dass sie Eure Urenkelin ist?«
»Was?«, staunte Harkon. »Ich habe
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