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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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begann seitlich wegzukippen. Die Räder auf der rechten Seite verloren den Bodenkontakt, und das Fahrzeug neigte sich in einem Vierzig-Grad-Winkel, blieb einen Augenblick lang so in der Schwebe, als ließe es sich die Sache durch den Kopf gehen, bevor das zusätzliche Gewicht der Turmpanzerung und ein versehentlicher Stoß des vierten MZF es vollends umkippen ließen. »Salim!«, schrie Amal. Sie versuchte, ihn zu packen, aber seine Beine verschwanden abrupt, als hätte Gott ihn an einer Strippe hochgerissen.
    Das MZF blieb auf der Seite liegen. Amal, die gegen Zinat gefallen war, stemmte sich hoch, schnappte sich Zinats Gewehr und begann, durch die Öffnung des Geschützturms zu robben. »Warten Sie!«, rief Umm Husam ihr hinterher, aber Amal wartete nicht.
    Salim war ein paar Meter vom MZF entfernt auf dem Rücken gelandet. Er war nicht ernsthaft verletzt, aber vom Sturz war er ganz benommen. Gewehrgeschosse prallten rings um ihn herum vom Parkplatzbelag ab, aber anstatt Deckung zu suchen, setzte er sich langsam auf. Eine Kugel streifte die Schulter seiner Splitterschutzweste. Er runzelte die Stirn und wischte mit der Hand über die Stelle, als wäre da ein Moskito. Dann zuckte er die Achseln und begann aufzustehen, als eine Kugel direkt hinter ihm wimmernd vom Asphalt abprallte und sich an der Vorderseite seines rechten Oberschenkels eine rote Wolke blähte. Er fiel zurück, hart, auf das Steißbein, starrte auf das blutende Lochin seinem Bein und sagte, exakt wie ein kleiner Junge anzuhören: »Au.«
    Kauernd hob Amal das Gewehr an die Schulter und nahm einen wippenden Dreispitz aufs Korn. Sie tötete den Minuteman, der Salim angeschossen hatte, und einen weiteren Mann neben ihm. Dies erregte die Aufmerksamkeit des Minuteman am MG, der prompt seine Waffe herumschwenkte, um bei Amal und dem MZF hinter ihr die Frischluftzufuhr zu verbessern. »Ziel rechts«, sagte Umm Husam, plötzlich an Amals Seite. Sie feuerte, und der Kopf des MG-Schützen verschwand in einer roten Supernova.
    Das Führungsfahrzeug, das sich vom kleinen Zusammenstoß erholt hatte, setzte zurück, um ihnen etwas Deckung zu verschaffen, während das ungepanzerte MZF wieder auf die Fahrbahn fuhr, um sich als bewegliches Ziel anzubieten. Die MZF-Schützen machten sich an die Arbeit, und schon spritzten erste Betonbrocken von der Dachkante des Piggly Wiggly weg.
    Samir sah das alles in weggetretener Benommenheit, wie von einer Blase umschlossen, im Fond des Schlusswagens aus. Er war sicher gewesen, bei der Bombenexplosion gestorben zu sein, und selbst jetzt noch fragte sich ein Teil von ihm, ob es nicht möglicherweise wirklich so war und das Chaos um ihn herum nicht lediglich die normalen Begleitumstände einer Höllenfahrt darstellte. Die Aussicht schreckte ihn nicht. Die Schüsse, die Explosionen, selbst die Flammen, alles ließ ihn unberührt.
    Was ihn schließlich doch berührte und begann, ihn in die Welt der Lebenden zurückzuzerren, war der Anblick des verwundeten Infanteristen, Salim. Samir hatte nicht mitbekommen, wie Leutnant Fahd angeschossen wurde, deswegen war Salim für ihn das erste Anschauungsbeispiel für die Kosten an Menschenleben, die sein Verrat gefordert hatte – eine Anschauung, die er wegen seines vermeintlich sicheren Todes nicht zu haben erwartet hatte. Er bekam Gelegenheit, ausgiebig und gründlich hinzuschauen, während das MZF, in dem er saß, sich hinter das Führungsfahrzeug einfädelte.
    Salim war gar nicht mal das Schlimmste. Das Schlimmste war Amal, der Ausdruck in ihrem Gesicht, während sie ihr Kopftuch um Salims Bein knotete, um die Blutung, so gut es ging, zu stillen. Angesichts ihrer Angst und ihrer Wut hätte man meinen können, Salim sei ein Angehöriger und nicht vielmehr ein x-beliebiger Typ, der zufällig im selben Wagen wie sie gesessen hatte. Während er sie ansah, spürte Samir einen grauenvollen Stich im Herzen. Es tut mir leid, dachte er. Es tut mir furchtbar leid, Amal, aber meine Söhne, ich hatte keine Wahl …
    Mustafa stieg aus dem Führungsfahrzeug aus, um Amal zu helfen. Eine Panzerfaustgranate flog unangenehm dicht vorbei, stanzte ein Loch in die Glastür eines Minimarkts in der Ladenzeile und ließ alle den Kopf einziehen. Plötzlich sicher, dass er gleich Zeuge des Todes seiner Freunde werden würde, schaute Samir weg. Schaute auf. Er drehte den Kopf nach rechts, zum Dach des chinesischen Restaurants direkt im nächsten Gebäude.
    Dort oben war ein weiterer Minuteman. Er war, von allen

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